Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsersuchen an Dritte. Auskunftsersuchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein an eine Genossenschaft gerichtetes Auskunftsersuchen mit dem Zweck, das Datum des Beitritts einer Genossin im Hinblick auf die von dieser beantragte Eigenheimzulage sowie das Datum der Zahlung des Genossenschaftsanteils zu überprüfen, ist rechtswidrig, wenn die Genossin bereits schriftlich zu dem Sachverhalt Auskunft erteilt hat, sie aber nunmehr zu einer Änderung ihrer vom FA für unwahr gehaltenen Auskunft veranlasst werden soll und der Tag der Zahlung des Genossenschaftsanteils für den Anspruch auf Eigenheimzulaqe überdies unerheblich ist.

2. Zur Frage, wann das FA ein Auskunftsersuchen an andere Personen als die Beteiligten des zugrunde liegenden Verfahrens richten darf und ob ein solches Auskunftsersuchen auch dann noch zulässig ist, wenn das Verwaltungsverfahren bereits abschlossen ist und schon das finanzgerichtliche Klageverfahren läuft.

 

Normenkette

AO 1977 § 93 Abs. 1 Sätze 1, 3; EigZulG 17

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.08.2002; Aktenzeichen IX R 75/01)

 

Tenor

1. Das Auskunftsersuchen vom 20. Juni 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 8. August 2000 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss errechneten Betrags Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

6. Der Streitwert wird auf 8.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 wandte sich der Beklagte (Bekl) mit einem „Auskunftsersuchen gemäß § 93 der Abgabenordnung” an die Klägerin (Klin).

Dieses Schreiben hat nachstehend wiedergegebenen Inhalt:

„In Hinblick auf die Gewährung der von Ihrem Genossenschaftsmitglied … für deren Genossenschaftsbeitritt beantragte Eigenheimzulage wird die … vertreten durch ein geschäftsführungsbefugtes Vorstandsmitglied, zur Beantwortung nachfolgender Fragen ersucht.

  1. Wann hat … ihren Genossenschaftsanteil tatsächlich an die … geleistet?
  2. Wieviele Genossen wurden mit Datum vom 14.02.1998 zum Beitritt zugelassen? Wieviele Zulassungen erfolgten zu anderen Zeitpunkten?
  3. In wievielen Fällen wurde die Einlage geleistet, bevor die … Zulassung zum Genossenschaftsbeitritt erklärt hat? In wieviel Fällen wurde die Zulassung zum Genossenschaftsbeitritt erklärt, obwohl die Einlage noch nicht geleistet wurde?

Sie werden um Beantwortung dieser Fragen bis spätestens 28.07.2000 gebeten. Die Auskünfte müssen wahrheitsgemäß erteilt werden; gegebenenfalls kann deren Versicherung an Eides statt verlangt werden. Die Erteilung der Auskünfte kann gegenüber dem Auskunftspflichtigen gegebenenfalls mit Zwangsmitteln vollstreckt werden”.

Gegen vorstehendes Auskunftsersuchen richtete sich der Einspruch der Klin vom 29. Juni 2000, der von ihren Vorständen … und … unterzeichnet ist.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2000, die den beiden Vorständen der Klin bekanntgegeben wurde, wies der Bekl den Einspruch der Klin als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 24. August 2000 wird vorgetragen, Hintergrund der begehrten Auskunft sei ein zur Zeit anhängiges Klageverfahren der … einer Genossin der Klin. Der Bekl habe eine zunächst zugunsten von … festgesetzte Eigenheimzulage (EigZul) nach § 17 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) wieder aufgehoben. Zur Begründung der Aufhebung behaupte der Bekl, Beitritt und Zulassung dieser Genossin seien nach dem 14. Februar 1998 erfolgt, so dass diese nach einem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen –BFM– vom 10. Februar 1998 (IV B 3 – EZ 1010 – 11/98, Bundessteuerblatt –BStBl– I 1998, 190) spätestens bis zum Ablauf des Förderzeitraums eine genossenschaftliche Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzen müsse, um EigZul zu erhalten. Hierzu habe zwischenzeitlich das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in einem Urteil, das zu einem anderen Finanzrechtsstreit ergangen sei, festgestellt, dass der angesprochene Erlass des BMF jeglicher Gesetzesgrundlage entbehre und die Selbstnutzung keine Fördervoraussetzung sei, weshalb es auf den Zeitpunkt von Beitritt und Zulassung gar nicht ankomme. Obwohl die Genossin anhand der Vorlage der Beitrittserklärung und einer Bestätigung der Klin nachgewiesen habe, dass ihr Beitritt am 12. Februar 1998 und ihre Zulassung am 14. Februar 1998 erfolgt seien – damit vor dem vom Bekl behaupteten Stichtag habe der Bekl an seiner bis heute nicht bewiesenen Behauptung des Beitritts und der Zulassung der Genossin nach dem 14. Februar 1998 festgehalten. Da es dem Bekl trotz hartnäckiger Wiederholungen der behaupteten Rückdatierung nicht gelungen sei, die von ihm in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen zu beweisen, sei der Bekl nunmehr plötzlich der Meinung, dass er auch im finanzgericht...

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