rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnung von Entgelten für Dauerschulden i. S. v. § 8 Nr. 1, 3. Alt. GewStG in der bis zum Jahr 2007 geltenden Fassung bei Wertpapiersachdarlehen über festverzinsliche Anleihen, Verkauf der Anleihen und Abschluss von Termingeschäften zur Sicherung der Rückgewährverpflichtung für die Sachdarlehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhält ein Unternehmen Wertpapiersachdarlehen i. S. v. § 607 BGB in Form von – jeweils kurz nach der Darlehensaufnahme vom Unternehmen veräußerten – festverzinslichen Anleihen, werden die Darlehen jeweils kurz vor Laufzeitende verlängert und haben sie dadurch eine Laufzeit von mehr als einem Jahr, so handelt es sich bei den Wertpapiersachdarlehen um sog. Dauerschulden i. S. v. § 8 Nr. 1, 3. Alt. GewStG in der vor 2008 gültigen Fassung.
2. Schließt das Unternehmen zur Sicherung der ihm gegenüber dem Darlehensgeber obliegenden Rückgewährverpflichtung bezüglich der festverzinslichen Anleihen (siehe 1.) unbedingte Termingeschäfte (Forwards) über entsprechende Anleihen mit einer anderen Bank ab, wobei die bis zum Erwerb anfallenden Stückzinsen gesondert ausgewiesen und dem Unternehmen in Rechnung gestellt werden, so stellen die während der Laufzeit der Wertpapiersachdarlehen aufgelaufenen Stückzinsen auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine „Entgelte für Schulden” i. S. d. § 8 Nr. 1, 3. Alt. GewStG a.F. dar.
3. Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG a. F. vorliegen, muss grundsätzlich jedes einzelne Schuldverhältnis für sich beurteilt werden.
4. Nur solche Leistungen des Darlehensnehmers an den Darlehensgeber sind als „Entgelte” anzusehen, die (wirtschaftlich) als Gegenleistung für die Nutzung des überlassenen Fremdkapitals zu qualifizieren sind.
Normenkette
GewStG a.F. § 8 Nrn. 1, 1 3. Alt; BGB § 607 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Änderungsbescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 vom 29. September 2014 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom 28. September 2015 wird dahingehend geändert, dass die Hinzurechnung der Entgelte für Dauerschulden um 8.198.560 EUR (= 50 % von 16.397.120 EUR) gemindert wird. Die Berechnung des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrags wird dem Beklagten übertragen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Hinzurechnung von Entgelten für Dauerschulden im Sinne von § 8 Nr. 1 3. Alt. des Gewerbesteuergesetzes in der bis zum Jahr 2007 geltenden Fassung (nachfolgend GewStG a.F.) bei Wertpapiersachdarlehen über festverzinsliche Anleihen streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland. […]. […].
Die Klägerin schloss am 19. Januar 2005 mit der A Ltd. einen „Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen” (im Folgenden Rahmenvertrag; Gerichtsakten Bl. 84 ff.), der die Grundlage für einzelne Wertpapiersachdarlehen im Sinne des § 607 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist (vgl. Nr. 1). Nach den Bestimmungen des Rahmenvertrags erhält der Darlehensnehmer das unbeschränkte Eigentum an den überlassenen Wertpapieren (Nr. 3 Abs. 2 Satz 1). Der Darlehensnehmer schuldet dem Darlehensgeber ein Entgelt, das sich aus dem im Einzelabschluss vereinbarten Prozentsatz p.a. bezogen auf den Marktwert der Wertpapiere an dem im Einzelabschluss vereinbarten Tag errechnet (Nr. 5). Die während der Laufzeit des Darlehens geleisteten Zinsen, Gewinnanteile und sonstige Ausschüttungen stehen dem Darlehensgeber zu. Den Gegenwert hat der Darlehensnehmer mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung an den Darlehensgeber zu zahlen (sog. Kompensationszahlung, Nr. 6). Am Ende der Darlehenslaufzeit hat der Darlehensnehmer Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zurück zu gewähren (Nr. 1 Abs. 1 Satz 3; § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Rahmenvertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 11 Abs. 5).
In den Jahren 2005 bis 2009 kam es zwischen der Klägerin als Darlehensnehmer und der A Ltd. als Darlehensgeber nacheinander zum Abschluss von 14 Verträgen über Wertpapiersachdarlehen; auf das Jahr 2005 (Streitjahr) entfielen zwei Verträge. Durch diese Verträge standen der Klägerin ab dem 25. Januar 2005 liquide Wertpapiere von ca. 360.000.000 EUR und ab dem 10. Februar 2006 von ca. 740.000.000 EUR durchgehend z...