rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen des Ehegatten durch das FA an die gesetzliche Krankenversicherung zur Berechnung der Beitragsbemessungsgrundlage des anderen Ehegatten. Unterlassungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Begehrt der Steuerpflichtige die Unterlassung der Weitergabe der Besteuerungsgrundlagen an die Krankenkasse, ist zulässiges Rechtsmittel die Unterlassungsklage, da die Weitergabe von Daten als Vorgang im Wege der Amtshilfe zwischen zwei Behörden keinen Verwaltungsakt darstellt, der mit der Anfechtungsklage anfechtbar wäre.
2. Die Finanzbehörden waren bis zum Veranlagungszeitraum 2015 ermächtigt und verpflichtet, den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung sämtliche relevanten Daten des Ehegatten eines freiwillig Versicherten mitzuteilen, die für die Einschätzung der Versicherungspflicht sowie die Beitragsfestsetzung von Bedeutung waren.
3. Ab dem Veranlagungszeitraum 2015 ist die Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen für die Beitragsbemessung von freiwillig Versicherten nicht mehr erforderlich i. S. d. § 31 Abs. 2 S. 1 AO.
Normenkette
AO § 31 Abs. 2; SGB X § 21 Abs. 4; SGB V § 240 Abs. 5; BeitrVerfGrsSz § 2 Abs. 4
Nachgehend
BFH (Urteil vom 12.12.2017; Aktenzeichen VII R 14/16) |
Tenor
1. Der Beklagte wird für die Veranlagungszeiträume ab 2015 verurteilt, es zu unterlassen, Besteuerungsgrundlagen der Klägerin der Krankenversicherung, mitzuteilen, solange die der Entscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage unverändert bleibt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾ und der Beklagte zu ¼.
4. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
5. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
6. Die Revision wird zugelassen.
7. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte dazu berechtigt und verpflichtet ist, Daten über Besteuerungsgrundlagen der Klägerin der gesetzlichen Krankenkasse des Ehemannes der Klägerin (i.F.: EM) mitzuteilen.
Die Klägerin wurde mit ihrem EM in den Veranlagungszeiträumen 2011 – 2013 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der EM ist Rentner und seit 1. Juli 2011 freiwilliges, nicht hauptberuflich selbständiges Mitglied einer gesetzlichen Krankversicherung; die Klägerin ist kein Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung. Seit dem Abschluss des Versicherungsvertrages durch den EM streiten die Krankenkasse und der EM über die Berechtigung der Krankenkasse, in die Bemessungsgrundlage des von ihm zu entrichtenden Mitgliedsbeitrages ergänzend das Einkommen der Klägerin einzubeziehen.
Da sich der EM gegenüber der Krankenkasse weigerte, das Einkommen der Klägerin mitzuteilen, forderte die Krankenkasse den Beklagten unter Berufung auf § 31 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), § 21 Abs. 4 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 240 Abs. 5 des 5. Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie § 2 Abs. 4 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (BeitrVerfGrsSz) mit Schreiben vom 2. Juli 2014 und vom 10. Oktober 2014 auf, ihr die Einkünfte der Klägerin und des EM auf einem beigefügten Vordruck mitzuteilen.
Der Beklagte teilte nach Prüfung der Sach- und Rechtslage und diverser Rückfragen an die Krankenkasse dieser mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 auf deren Vordruck die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb sowie die Einkünfte des EM für die Veranlagungszeiträume 2011 und 2012 mit. In der Spalte für 2013 trug er „keine Daten” ein.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015 wandte sich die Klägerin gegen Weitergabe ihrer Daten an die Krankenkasse und forderte den Beklagten dazu auf, künftig keine entsprechenden Daten mehr weiter zu geben. Gleichzeitig bat sie um Bestätigung, dass künftig keine Daten mehr weitergeben werden. Sie ist der Auffassung, § 31 AO sei keine Rechtsgrundlage für die Weitergabe ihrer Besteuerungsgrundlagen, da die Klägerin nicht selbst Betroffene im Sinne dieser Vorschrift sei.
Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar 2015 mit der Begründung ab, § 31 AO erfasse auch die Weitergabe von Daten Dritter, soweit diese zur Beitragsfestsetzung erforderlich seien.
Mit ihrer am 14. Juli 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Interesse weiter und trägt ergänzend vor, eine ...