Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Qualifizierung eines Fahrzeugs (Willy Overland CJ-5 Jeep) als Zugmaschine oder PKW. Kfz-Steuerberfreiung bei landwirtschaftlicher Nutzung der Zugmaschine
Leitsatz (redaktionell)
1. Zugmaschine im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts ist ein Fahrzeug, dessen wirtschaftlicher Wert im Wesentlichen in der Zugleistung liegt und das nach seiner Bauart und Austattung ausschließlich oder überwiegend zur Fortbewegung von Lasten durch Ziehen von Anhängern zu dienen geeignet und bestimmt ist.
2. Die verkehrsrechtliche Einstufung eines Kraftfahrzeugs als Zugmaschiene hat keine kraftfahrzeugsteuerrechliche Bindungswirkung.
3. Ist der Originalzustand eines Fahrzeugs hinsichtlich der Zugleistung in Bezug auf Motor, Getriebe und Diagonalverstärkung grundlegend derart verbesser worden, dass die Anhängelast auf bis zu 7.000 kg, d. h. das Doppelte der nach der StVZO maximal zulässigen PKW-Anhängelast erhöht wurde, stehen andere Fahrzeugmerkmale, wie z. B. Beifahrersitz und Höchstgeschwindigkeit der Qualifizierung als Zugmaschine nicht entgegen.
4. Nach § 3 Nr. 7 KraftStG ist u. a. das Halten von Zugmaschinen (ausgenommen Sattelzugmaschinen) von der Steuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet wird, was im Streitfall glaubwürdig dargestellt wurde.
Normenkette
KraftStG § 3 Nr. 7, § 2 Abs. 2; PBefG § 4 Abs. 4 Nrn. 1, 3; FZV § 2 Nrn. 14-16; StVZO § 42
Nachgehend
Tenor
1. Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 28. April 2009 wird [wegen der nach § 3 Nr. 7 KraftStG bestehenden Steuerbefreiung] ersatzlos aufgehoben.
2. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann das beklagte Finanzamt der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Fraglich ist, ob ein von einer spezialisierten Fachfirma grundlegend umgebauter Jeep des Typs Willys Overland CJ-5 als eine ausschließlich in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verwendete Zugmaschine gemäß § 3 Nr. 7 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist.
Der Kläger ist im Hauptberuf Elektriker und in Schichtarbeit beschäftigt. Nebenberuflich betätigt er sich mit einem durchschnittlichen Zeiteinsatz von ca. 20 bis 30 Stunden pro Woche als Obstbauer und Schnapsbrenner. Er bewirtschaftet eine Fläche von insgesamt ca. 1,5 Hektar mit mehrheitlich Kirsch- und Zwetschgenbäumen sowie daneben auch Apfel- und Birnbäumen. Die Obstbäume befinden sich in einem Umkreis von ca. fünf Kilometern, das Klärwerk (für die Entsorgung des Abbrands aus der Brennerei) liegt ca. sieben bis acht Kilometer vom Wohnsitz des Klägers entfernt. Holzarbeiten im Wald führt der Kläger, der keinen eigenen Wald hat, in einer Entfernung von mindestens 10 bis ca. 35 km durch. Der Kläger schätzt, dass er pro Jahr ca. 20 Ster Holz schlägt, davon ca. 10 Ster für die Schnapsbrennerei und ca. 10 Ster für die Kachelöfen in dem ansonsten mit Gas geheizten eigenen Haushalt sowie in jenem der Eltern.
Der Kläger und seine als Finanzbeamtin berufstätige Ehefrau sind – abgesehen von dem vorliegend im Streit stehenden Jeep-Fahrzeug – Eigentümer von insgesamt vier weiteren Fahrzeugen, und zwar eines Opel Corsa, eines Opel Vectra, eines im Zusammenhang mit der früheren Jeep-Abmeldung erworbenen Nissan-Geländewagens sowie eines „normalen Schleppers” bzw. Traktors. Ferner haben die Eheleute die Möglichkeit, einen Renault Espace der Eltern zu nutzen.
Der vorliegend im Streit stehende Willys Overland CJ-5 (Jeep) ist – nach früherer Zulassung vom 28. Juli 2006 bis 23. Januar 2007 und nach zwischenzeitlicher Abmeldung – seit dem 6. April 2009 mit dem grünen amtlichen Kennzeichen xx-xx xxx erneut auf den Kläger zugelassen. Im Zusammenhang mit der neuerlichen Fahrzeugzulassung stellte der Kläger wiederum einen Antrag auf Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für ein landwirtschaftliches Fahrzeug (Rechtsbehelfsakte xx-xx xxx/x, Blatt 5). Die Zulassung erfolgte auf der Grundlage eines von der TÜV xxx erstellten Gutachtens zur Erlangung der Betriebserlaubnis vom 31. März 2009 (Gerichtsakte 3 K 321/08, Blatt 136 ff.).
Dem Gutachten folgend hat die Zulassungsbehörde ausweislich der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) vom 6. April 2009 das Fahrzeug als Zugmaschine eingestuft. Das Fahrzeug weist nach dem Fahrzeugschein die folgenden Merkmale auf: Diesel-Motorisierung, Leergewicht 1.275 kg, zulässiges Gesa...