Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auf Erträge aus Beteiligungen in Drittstaaten wegen Verletzung der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 (Gewinnerhöhung um 5 % der Bezüge) ist auf Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in Drittstaaten aufgrund der Verletzung der Kapitalsverkehrs- und Niederlassungsfreiheit nicht anzuwenden.
Normenkette
KStG 2002 § 8b Abs. 5; EG Art. 43, 48, 56, 58; AEUV Art. 49, 54, 63, 65
Tenor
1. Die Bescheide über Körperschaftsteuer für 2002 und 2003, jeweils vom 24. August 2007, in der Form der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 werden geändert. Die Körperschaftsteuer 2002 wird unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 1.746 EUR und die Körperschaftsteuer 2003 unter Berücksichtigung weiterer abziehbarer Betriebsausgaben in Höhe von 148.514 EUR festgesetzt. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung zu errechnen, der Klägerin das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klage betrifft die Anwendbarkeit des § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes in der bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuerbegünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 geltenden Fassung (KStG 2002 a.F.).
Die Klägerin ist eine im Jahr 1996 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens sind der Import und Export sowie der Handel mit genehmigungsfreien Waren aller Art, insbesondere Schuh-, Lederwaren und Textilien, die Übernahme von Handelsvertretungen sowie die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Marktforschung und Marktanalyse.
Die Klägerin war in den Streitjahren 2002 und 2003 an folgenden Gesellschaften beteiligt:
Firma |
Anteilsbesitz zum 31.12.2001 |
Anteilsbesitz zum 31.12.2002 |
Anteilsbesitz zum 31.12.2003 |
X, GmbH nach usbekischem Recht |
100,00 % |
100,00 % |
|
Y, GmbH nach weißrussischem Recht |
61,00 % |
53,70 % |
53,70 % |
Z, GmbH nach russischem Recht |
|
100,00 % |
100,00 % |
Aus diesen Beteiligungen wurden im Veranlagungszeitraum 2002 folgende Beteiligungseinkünfte (Gewinnausschüttungen) vereinnahmt:
Firma |
Einkünfte brutto |
hiervon 5 % |
X GmbH |
EUR |
15.854,87 |
EUR |
792,00 |
Y GmbH |
EUR |
19.078,27 |
EUR |
954,00 |
Summe |
EUR |
34.933,14 |
EUR |
1.746,00 |
Im Veranlagungszeitraum 2003 wurden folgende Beteiligungseinkünfte (Gewinnausschüttungen) vereinnahmt:
Firma |
Einkünfte brutto |
hiervon 5 % |
Z GmbH |
EUR |
2.948.812,42 |
EUR |
147.440,00 |
Y GmbH |
EUR |
21.480,00 |
EUR |
1.074,00 |
Summe |
EUR |
2.970.292,42 |
EUR |
148.514,00 |
In ihren Körperschaftsteuererklärungen für 2002 und 2003 erklärte die Klägerin nicht abziehbare Aufwendungen im Sinne von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in Höhe von 1.746 EUR und 148.514 EUR und wurde insoweit in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Körperschaftsteuerbescheiden für 2002 vom 30. Januar 2004 und für 2003 vom 12. November 2004 antragsgemäß veranlagt.
Im Rahmen einer bei der Klägerin im März 2007 durchgeführten Außenprüfung beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 2006 I R 95/05 (BStBl II 2007, 279), die pauschale Kürzung nichtabziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. rückgängig zu machen. Dem folgte die Prüferin ausweislich des Prüfungsberichts vom 10. Mai 2007 mit der Begründung nicht, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) insoweit mit einem Nichtanwendungserlass reagiert habe (BMF-Schreiben vom 21. März 2007, BStBl I 2007, 302).
Dementsprechend erließ der Beklagte unter dem 24. August 2007 einen aus anderen Gründen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2002 und einen Körperschaftsteuerbescheid für 2003, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, in denen es bei der Kürzung des Betriebsausgabenabzugs verblieb.
Hiergegen erhob die Klägerin Einsprüche, die die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2008 als unbegründet zurückwies.
Das vorliegende Klageverfahren hat im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Revisionsverfahren I R 7/08 geruht. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26. November 2008 (I R 7/08, BFH/NV 2009, 849) erneut entschieden, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. sowohl gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften – EG –, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, (Amtsblatt der Europäischen Gemein...