Leitsatz
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 pauschaliert und quantifiziert für Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG 2002 das allgemeine Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002), wonach Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. § 8b Abs. 5 KStG 2002 regelt nicht die "Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe" und erfordert auch keinen "sicheren Einfluss" auf die Beteiligungsgesellschaft. Damit fällt der Anwendungsbereich des § 8b Abs. 5 KStG 2002 auch in den der Kapitalverkehrsfreiheit mit der Folge, dass die Vorschrift auch bei Bezügen aus Auslandsbeteiligungen in Drittstaaten nicht anwendbar ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine inländische Kapitalgesellschaft (GmbH), die in den Streitjahren 2002 und 2003 Gewinnausschüttungen aus sog. Drittstaatenbeteiligungen (nicht in den EU/EWR-Ländern ansässige Beteiligung) vereinnahmt hatte. Die Höhe der Beteiligung betrug an allen Gesellschaften jeweils mehr als 50 % (Kontrollbeteiligung). Unter Berücksichtigung eines pauschalen Ansatzes nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 i.H.v. von 5 % der vereinnahmten Gewinnausschüttungen erließ der Beklagte die Körperschaftsteuerbescheide 2002 und 2003.
Hiergegen erhob die Klägerin Einsprüche und nachfolgend Klage. Sie trägt vor, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 gegen die gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der freien Wahl der Niederlassung Art. 43, 48 EG und der Freiheit des Kapitalverkehrs Art. 56 EG verstößt. Da die Kapitalverkehrsfreiheit eine Schutzwirkung grundsätzlich für alle Arten von Beteiligungen -also auch für Beteiligungen in Drittstaaten- entfalte und § 8b Abs. 5 KStG unabhängig vom Umfang der Beteiligung anwendbar sei und damit in seinen Tatbestandsmerkmalen keine Beteiligungsschwelle vorsehe, ist der Schutzbereich des Art. 56 EG neben Art. 43 EG eröffnet.
Der Beklagte vertrat -entgegen dem BFH,Urteil v. 9.8.2006, I R 95/05, BStBl 2007 II S. 279, welches eine Kontrollbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat betraf- unter Hinweis auf das BMF, Schreiben v. 21.3.2007, BStBl 2007 I S. 302 die Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht vorliege, weil bei einer Beteiligung von mehr als 50 % nicht die Kapitalverkehrsfreiheit, sondern die bei Drittstaatenbeteiligungen keinen Schutz gewährende Niederlassungsfreiheit greife.
Das Klageverfahren hatte im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren I R 7/08 geruht. Der BFH hatte mit Urteil v. 26.11.2008, I R 7/08, BFH/NV 2009 S. 849 erneut entschieden, dass § 8b Abs. 5 KStG 2002 gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 EG und des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 und 58 EG verstoße und deswegen auch gegenüber sog. Drittstaaten unanwendbar sei. Die Verfassungsbeschwerde des betroffenen Finanzamts hatte das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss v. 11.4.2012, 2 BvR 862/09, StE 2012 S. 290).
Entscheidung
Das FG folgt in seiner Entscheidung der vorangegangenen Rechtsprechung des BFH. Infolge der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen verstößt § 8b Abs. 5 KStG 2002 gegen Gemeinschaftsrecht und zwar sowohl gegen die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit. Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit wird nicht durch den vorrangigen sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit verdrängt. Dies wäre nur dann gegeben, wenn § 8b Abs. 5 KStG 2002 sich vom Ziel und Zweck nach gegen Direktinvestitionen gerichtet und damit Regelungen zu "Beherrschungssituationen/sicheren Einfluss" oder zu "Beziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe" enthalten hätte. Dies ist nun gerade nicht der Fall, denn § 8b Abs. 5 KStG 2002 betrifft vorbehaltlos und ausschließlich die Besteuerung der Obergesellschaft unabhängig von der Beteiligungshöhe und bewirkt bei dieser die Fiktion nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben pauschal mit 5 % der Kapitaleinnahmen. Damit bleibt § 8b Abs. 5 KStG 2002 nicht nur bezogen auf Auslandsbeteiligungen innerhalb der Europäischen Union, sondern auch bezogen auf Auslandsbeteiligungen in sog. Drittstaaten unanwendbar.
Hinweis
§ 8b Abs. 5 KStG 2002, der ein pauschales Abzugsverbot von Betriebsausgaben i. H. v. 5 % der Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG aus Anteilen an ausländischen Gesellschaften regelte, ist durch das sog. Korb II-Gesetz v. 22.12.2003, BGBL 2003 I S. 2840) geändert worden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 bleiben 5 % der Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG, gleichgültig, ob sie aus dem In- oder Ausland stammen, außer Ansatz.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2012, 6 K 2522/09