rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Verzögerungsgeld. Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung. Zeitraum der gerichtlich angeordneten Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verzögerungsgeld kann auch gegen nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige festgesetzt werden, wenn diese der Außenprüfung unterliegen.
2. Die Festsetzung des Verzögerungsgeldes ist nicht auf die Fälle der Verlagerung der Buchführung in das Ausland beschränkt.
3. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes setzt voraus, dass die Prüfungsanordnung, auf deren Grundlage die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen erfolgt ist, rechtmäßig ist.
4. Bestehen gleichzeitig zwei Prüfungsanordnungen, deren Regelungsinhalte sich nicht widersprechen, sind diese nicht nach § 125 AO nichtig.
5. Ob das FA die Außenprüfung aus eigener oder abgeleiteter Zuständigkeit durchführt, ist nicht Regelungsinhalt der Prüfungsanordnung, sondern eine Frage der örtlichen Zuständigkeit und somit der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung.
6. Setzt das FG die Vollziehung eines Verwaltungsakts aus, gegen den bereits eine Klage beim FG anhängig ist und äußert es sich nicht über den Zeitraum, für den die Aussetzung gelten soll, bezieht sich die Aussetzung nur auf den jeweiligen Verfahrensabschnitt vor dem Finanzgericht.
7. Wird der gerichtliche Aussetzungsantrag während des laufenden Einspruchsverfahrens gestellt, ist die Aussetzung der Vollziehung auf die Dauer des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens beschränkt.
Normenkette
AO § 146 Abs. 2a, 2b, §§ 200, 125, 118, 126, 195 S. 2
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bescheid des Beklagten (Bekl) vom 29. März 2011 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes rechtmäßig ist.
Mit Urteil vom… hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die Prüfungsanordnung (PA) des Bekl vom 11. Dezember 2006, die sich gegen den Kläger (Kl) und seine Ehefrau, Frau C.X., richtete und die Einkommensteuer (ESt) einschließlich gesonderter Feststellungen, die Gewerbesteuer (GewSt) und die Umsatzsteuer (USt) – jeweils für die Jahre 2001 bis 2004 – zum Gegenstand hatte, mangels örtlicher Zuständigkeit des Bekl aufgehoben. Die vom Bekl gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 14. Januar 2010 (Az. VIII B 104/09) als unbegründet zurückgewiesen.
Bereits mit Schreiben vom 10. November 2009 hatte sich der Bekl an das Finanzamt B
das Wohnsitzfinanzamt des Kl – gewandt und ausgeführt, „Bei dem Konzern A.X. …, in Q, Konzernnummer: 99…)” werde derzeit eine Betriebsprüfung durchgeführt (Beginn der Prüfung: Dezember 2006; Prüfungszeitraum: 2001 – 2004). (…). Zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen:
Eheleute A. und C.X., in F.
Unter Hinweis auf die §§ 13 ff der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von Q aus zu prüfen, weil
- sich die Buchführung hier befinde und
- sich die Auskunftspersonen hier befänden.
Der Bekl bat daher um Übertragung der Befugnis zum Erlass der PA. Der Prüfungsauftrag solle – so der Bekl – insbesondere die ESt und die USt umfassen und jeweils gesondert für Herrn A.X. (StNr. …) – den Kl – und Frau C.X. (StNr. …) erfolgen. Bislang liege beim Bekl eine Beauftragung durch das nicht zuständige BetriebsprüfungsFinanzamt D vom 30. März 2009 vor. Da es sich um einen Fall der „AP-B” handle, müsse vom Finanzamt B auch der Auftrag erteilt werden. Aufgrund drohender Verjährung des Prüfungszeitraums 2002 werde um baldmöglichste Antwort gebeten.
Mit Schreiben vom 23. November 2009 teilte das Finanzamt B dem Bekl unter Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 10. November 2009 mit, es übertrage ihm hiermit die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer AP bei den genannten Steuerpflichtigen (Eheleute A. und C.X.) gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO) und § 5 Abs. 1 Satz 1 BpO. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Finanzamts B vom 23. November 2009 Bezug genommen.
Mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums erging eine gesonderte Beauftragung hinsichtlich der Ehefrau des Kl. Auch diesbezüglich wird wegen der Einzelheiten auf das genannte Schreiben Bezug genommen.
Der Bekl ordnete daraufhin mit PA vom 1. Dezember 2009 gegenüber dem Kl die Durchführung einer Außenprüfung (AP) an. Die PA hat den folgenden Wortlaut:
„Anordnung einer Außenprüfung
Sehr geehrter Herr A.X.,
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlgen ist bei Ihnen auf Grund des § 193 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. den § 194-196 AO eine Außenprüfung durchzuführen. Bei dieser Prüfung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind, zu ermitteln.
Geprüft werden:
Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen |
2002 – 2004 |
Umsatzsteuer |
2002 – 2004 |
Das Finanzamt Q wurde vom zuständigen Finan...