Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuerliche Maßgeblichkeit des Kurswertes von Börsenpapieren am Todestag des Erblassers. Abzugsfähigkeit vergeblicher Rechtsverfolgungskosten zur Erlangung des Nachlasses
Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Nachlass gehörende börsennotierte Wertpapiere sind bei der Erbschaftsteuer auch dann mit ihrem Kurswert am Todestag des Erblassers zu berücksichtigen, wenn der Wert dieser Wertpapiere in der Folgezeit stark gesunken ist und die Erben die Herausgabe dieser Wertpapiere teilweise erst nach einem langen Zivilrechtsstreit erreichen konnten, also zunächst nicht über die Wertpapiere verfügen konnten.
2. Als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind Kosten von Miterben, die sie letztendlich erfolgreich zur Führung von Prozessen zum Zwecke der Erlangung von Auskunft über den Nachlass und der Herausgabe von Nachlassgegenständen aufgewendet haben. Soweit Prozesse nicht zur Herausgabe von vermeintlich zum Nachlass gehörenden Gegenständen geführt haben und diese streitigen Gegenstände nicht der Erbschaftsteuer unterlegen haben, ist ein Abzug der diesbezüglichen, vergeblichen Rechtsverfolgungskosten nach § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG ausgeschlossen.
Normenkette
ErbStG § 12 Abs. 2, § 10 Abs. 5 Nr. 3, Abs. 6 S. 1; BewG 1999 § 11 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der von der Klägerin zu tragenden Erbschaftsteuer auf den Erwerb von Todes wegen nach B.
Am xx.xx.1999 ist der am xx.xx.xxxx geborene und zuletzt in X, …straße × wohnhaft gewesene B (nachfolgend: Erblasser) verstorben. Erben wurden ausweislich eines gemeinschaftlichen Erbscheins des Notariats X vom 05.04.2001 (ErbSt-Akte Bl. 25) zu je ½ sein Neffe A und seine Nichte C. A ist im Verlauf des vorliegenden Verfahrens – am 25. Januar 2012 – ebenfalls verstorben und von seiner Adoptivtochter, der Klägerin, beerbt worden (vgl. den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Y vom 14. März 2012; FG-Akte Bl. 75).
Das beklagte Finanzamt (FA) hat dem damaligen Nachlasspfleger Rechtsanwalt M unter dem 25. Mai 2000 eine Erbschaftsteuererklärung zugeleitet. Am 25. August 2003 ging daraufhin eine von den beiden Miterben unterzeichnete „Vorläufige Erbschaftsteuererklärung” beim FA ein (ErbSt-Akte Bl. 94 ff.).
Nach den darin gemachten Angaben bestand der Nachlass aus der Hälfte des Mietwohngrundstücks … allee × in X, deren Wert sich nach der auf den Todestag des Erblassers bezogenen gesonderten und einheitlichen Feststellung des FA X auf 99.957 EUR belief, sowie außerdem aus Wertpapieren und Kapitalforderungen im Wert von insgesamt 749.450 DM (vgl. die Aufstellung ErbSt-Akte Bl. 96). Teil des erklärten Vermögens waren u. a. in einem bei der Bank I geführten Vermögensverwaltungsdepot gehaltene börsennotierte Wertpapiere im Wert von 678.082 DM. Diesen Nachlassgegenständen wurden Verbindlichkeiten in Höhe von 394.972 DM (= umgerechnet 201.946 EUR) gegenübergestellt. Die Zusammensetzung dieser Nachlassverbindlichkeiten ergibt sich aus einer mit der Steuererklärung eingereichten Aufstellung (ErbSt-Akte Bl. 97), auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Darin enthalten ist unter der Ziffer 2 eine Position in Höhe von 220.000 DM, die als „Auszahlungen im April und Mai 1999 aufgrund des Treuhandvertrags vom 8. 02. 99 lt. Anlagen” gekennzeichnet ist. Der erwähnte Treuhandvertrag, von dem eine Kopie beigefügt worden ist (ErbSt-Akte Bl. 99 ff.), bezieht sich auf das genannte Vermögensverwaltungsdepot.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2003 setzte das FA gegenüber dem Rechtsvorgänger der Klägerin bezogen auf den streitbefangenen Erbfall die Erbschaftsteuer auf 31.151,48 EUR (= 60.927 DM) fest (ErbSt-Akte Bl. 127). Bei der Ermittlung des Reinnachlasses hat das FA neben dem – nach Grund und Höhe unstreitigen – festgestellten Wert für das bebaute Grundstück in Höhe von 195.500 DM den Wert des übrigen Vermögens – wie erklärt – mit 749.450 DM berücksichtigt. Von dem sich daraus ergebenden Gesamtwert der Nachlassgegenstände (944.950 DM) hat es als „Nachlassverbindlichkeiten ohne Erbfallkosten” den vorerwähnten Betrag von 220.000 DM und sodann als „Erbfallkosten” Nachlassregelungskosten in Höhe von 174.942 DM abgezogen. Den so ermittelten Reinnachlass in Höhe von 549.978 DM hat es beiden Miterben jeweils hälftig zugerechnet und gelangte nach einem Abzug eines Freibetrags nach § 16 Abs. 1 ErbStG in Höhe von jeweils 10.000 DM beim Rechtsvorgänger der Klägerin zu einem steuerpflichtigen Erwerb von (abgerundet) 264.900 DM, auf den es unter Anwendung des aus der Steuerklasse III abgeleiteten Steuersatzes von 23 % die Erbschaftsteuer in der genannten Höhe festsetzte.
Gegen diesen Bescheid hat der Rechtsvorgänger der Klägerin am 9. Januar 2004 Einspruch erheben und auf ein Schreiben der für die beiden Miterben tätig gewordenen Steuerberaterin F vom 15. September 2003 (ErbSt...