Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Erwerbers eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung für Umsatzsteuer im Abzugsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Der Erwerber eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung haftet nicht für Umsatzsteuer im Abzugsverfahren, wenn der Veräußerer nachträglich zur Versteuerung des Grundstücksumsatzes optiert hat.
Normenkette
UStG § 18 Abs. 8; UStDV § 55; UStG § 4 Nr. 9a, § 9 Abs. 1; UStDV § 51 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit die Klägerin als Erwerberin eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung für Umsatzsteuer (USt) im Abzugsverfahren haftet, weil der Veräußerer nachträglich zur regelmäßigen Versteuerung des Grundstücksumsatzes optiert hat.
J.S. war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er eine Fabrikhalle zum Zweck der gewerblichen Vermietung bauen wollte. Mit dem Bau wurde 1990 begonnen. Er wurde bis 1992 weitergeführt, die Fabrikhalle wurde jedoch aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht fertiggestellt, sondern verblieb im Zustand des Rohbaus. In dem von den Gläubigem von J.S. betriebenen Zwangsversteigerungsverfahren wurde das Grundstück mit teilfertiggestellter Fabrikhalle am 17. Mai 1994 der Klägerin zum Meistgebot von 575.000 DM zugeschlagen.
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) gewährte J.S. zunächst den Vorsteuerabzug aus den 1990–92 erbrachten Bauleistungen. Nach der Versteigerung des Grundstücks wurde eine USt-Außenprüfung durchgeführt und der Vorsteuerabzug nachträglich versagt, weil die unternehmerische Tätigkeit von J.S. erfolglos geblieben und die Veräußerung des Grundstücks als umsatzsteuerfreie Lieferung erfolgt sei, die einen Vorsteuerabzug nicht gewähre.
J.S. machte gegenüber den Rückforderungsmaßnahmen des FA bezüglich der vergüteten Vorsteuern geltend, er habe durch Einreichung der entsprechenden USt-Anmeldungen auf die USt-Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a) Umsatzsteuergesetz (UStG) verzichtet und zur Steuerpflicht seiner Umsätze aus dem Grundstück einschließlich des Verkaufs optiert. Aufgrund von § 18 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 UStG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) werde von dem sogenannten Abzugsverfahren Gebrauch gemacht.
J.S. erteilte am 2. März 1996 der Klägerin über die „Grundstückslieferung vom 17.5.1994” im Wege der Zwangsversteigerung eine Rechnung über 575.000 DM zuzüglich 15 % USt von 86.250 DM, zusammen 661.250 DM. Er bat um die Anwendung des Abzugsverfahrens und Abführung der USt an das FA. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, einen Betrag aufzubringen, der über das im Zuschlagsbeschluss festgehaltene Meistgebot von 575.000 DM hinausgehe, erteilte J.S. eine Rechnung … über 500.000 DM zuzüglich 15 % USt von 75.000 DM, insgesamt 575.000 DM … [und] berichtigte … die vorherigen Rechnungen ….
Da die Klägerin den fraglichen USt-Betrag in Höhe von 75.000 DM nicht an das FA abführte, erließ das FA nach Anhörung der Klägerin am 28. Januar 1998 einen Haftungsbescheid, in welchem es die Klägerin gemäß § 55 UStDV auf den gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 UStDV im Abzugsverfahren von der Gegenleistung einzubehaltenen Steuerbetrag als Haftungsschuldnerin in Anspruch nahm. Von dem aus dem Gesamtkaufpreis geschuldeten Steuerbetrag i.H.v. 75.000 DM seien 10.470,90 DM durch Verrechnung getilgt worden. Da keine Aussicht bestehe, die USt-Restschuld i.H.v. 64.529,10 DM bei dem überschuldeten und nicht leistungsfähigen J.S. beizutreiben, sei die Klägerin in Anspruch zu nehmen.
Den am 2. Februar 1998 beim FA eingegangenen Einspruch der Klägerin wies das FA mit Entscheidung vom 8. Juni 1998 zurück. Die Klägerin habe zwar die Gegenleistung für die Lieferung des zwangsversteigerten Grundstückes sofort entrichtet, sie sei jedoch zur Einbehaltung des darin enthaltenen Steuerbetrags verpflichtet gewesen. Die Grundstückslieferung sei zwar grundsätzlich steuerfrei, der Eigentümer habe aber zulässigerweise nachträglich auf die Steuerfreiheit verzichtet, da die USt für den Besteuerungszeitraum der Grundstückslieferung noch nicht bestandskräftig festgesetzt gewesen sei. Diese Option gemäß § 9 UStG sei auch nach Abschluss des Versteigerungsverfahrens durch den Veräußerer noch möglich gewesen. Der Zustimmung der Klägerin als Leistungsempfängerin habe es nicht bedurft. Dass der Ersteigerer auch nach Entrichtung des Entgelts zur Einbehaltung und Abführung der USt verpflichtet sei, ergebe sich aus § 53 Abs. 2 und 3 UStDV. Da durch die nachträgliche Option dem Ersteher der Vorsteuerabzug eröffnet werde, sei im Sinne einer Gefährdungshaftung eine Einbehaltungs- und Abführungspflicht und eine darauf beruhende Haftungsnorm rechtlich besonders gestaltet worden.
Die Klägerin werde als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen, weil das FA den Steuerschuldner erfolglos zur Zahlung der rückständigen USt aufgefordert habe. Alle in Frage kommenden Möglichkeiten zur Einziehung der Steuer seien ergriffen worden. Da das Grundstück versteigert worden und J.S. überschuldet sei, sei in absehbar...