Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wiedereinsetzung wegen erst nach Fristablauf eingetretener Umstände. Büroorganisation bei Ausfall des für die Fristenkontrolle zuständigen Mitarbeiters
Leitsatz (redaktionell)
1. Erst nach Fristablauf eingetretene Umstände (hier unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit der beim Steuerberater für die Bearbeitung des Falles zuständigen Sachbearbeiterin) vermögen eine Wiedereinsetzung in die Rechtsbehelfsfrist nicht zu begründen.
2. Fällt der für die Eintragung der Fristen im Fristenkontrollbuch allein zuständige Mitarbeiter zeitweise aus und ist darüber hinaus offenkundig ersichtlich, dass sich Post ungeöffnet auf seinem Schreibtisch anhäuft, erfordert eine ordnungsgemäße Büroorganisation Maßnahmen, die eine zuverlässige Fristüberwachung sicherstellen. Trifft der Bevollmächtigte solche Maßnahmen nicht, so ist sein Verschulden an einer dadurch verursachten Fristversäumnis dem vertretenen Steuerpflichtigen mit der Folge zuzurechnen, dass Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.
Normenkette
AO 1977 § 110 Abs. 1 S. 2, § 355 Abs. 1; FGO § 56 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes.
Die steuerlich beratene Klägerin ist als Bauträger gewerblich tätig. Aufgrund der eingereichten Gewerbesteuererklärung 1993 erließ der Beklagte am 27. November 1995 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1993. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte am 7. März 2003 den geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1993 unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.
Hiergegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 23. Juni 2003 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wird vorgetragen, sie habe den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (mit anderen Bescheiden) in einem geschlossenen Kuvert in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten übergeben. Dieses sei der zuständigen Sachbearbeiterin … auf den Schreibtisch gelegt worden. Am 14. April 2003 habe sich Frau … aufgrund eines plötzlichen Unfalls eine äußerst schmerzhafte Fußverletzung zugezogen. Aufgrund dessen habe sie vier Wochen nur mit Krücken gehen können und weitere zwei Wochen sei ihr Gehvermögen eingeschränkt gewesen. Sie sei vom 15. April 2003 bis 21. April 2003 nicht in der Kanzlei gewesen. Ab dem 22. April 2003 sei sie trotz starker Schmerzen und mit Krücken nur sporadisch in der Kanzlei gewesen. Sie sei physisch behindert gewesen, ihr komplettes Arbeitspensum zu bewältigen. Aufgrund der starken Schmerzen habe auch eine psychische Beeinträchtigung vorgelegen. Gleichwohl habe sie versucht, die dringendsten anfallenden Arbeiten zu erledigen. Es sei eine Vertreterin für die Zeit, in der Frau … ihrem Arbeitspensum nicht komplett habe nachgehen können, eingesetzt worden. Eine Kollegin habe dieses Pensum abgefangen. Es sei eine Aufgabenverteilung vorgenommen worden. Das Kuvert mit den darin befindlichen Bescheiden habe ungeöffnet auf dem Schreibtisch von Frau … gelegen. Da sich viele andere Unterlagen angesammelt hätten, seien diese auf dieses Kuvert gelegt worden und hätten dieses verdeckt. Frau … sei Diplomkauffrau und habe ihr Universitätsstudium mit Fachrichtung Steuerrecht erfolgreich abgeschlossen. Sie sei seit sechs Jahren in der Kanzlei tätig und verfüge über eine große Berufserfahrung. Sie sei ausschließlich für das Eintragen der Bescheide in das Fristenkontrollbuch zuständig. Die Bescheide würden von ihr normalerweise in ein dafür vorgesehenes Ablagefach „Bescheide” gelegt. Diese würden täglich sofort nach Erhalt eingetragen, um die Frist zu überwachen. Täglich morgens werde das Fristenkontrollbuch durchgesehen, damit die Fristwahrung gewährleistet sei. Seit 1. April 2002 werde die Bescheidprüfung ausschließlich von Frau … durchgeführt. Sie habe immer sehr starke Schmerzen in ihrem Bein gehabt und sei deshalb nicht in der Lage gewesen, ihre volle Arbeitskraft und Konzentration einzubringen, so dass ihr der Umschlag nicht aufgefallen sei und sie nur die bereits in ihr Ablagefach gelegten offenen Bescheide in das Fristenkontrollbuch eingetragen und geprüft habe. Die Fristversäumnis beruhe deshalb auf einem plötzlich eingetretenen Unfall, auf einem nicht vorhersehbaren krankheitsbedingten Umstand der zuständigen Mitarbeiterin, die in ihrer Anwesenheit weitere Terminangelegenheiten, wie Lohnabrechnungen und dringende Steuererklärungen erledigt habe und dennoch täglich die neu eingehenden Bescheide in das Fristenkontrollbuch eingetragen habe. Leider sei sie bis zu dem zugedeckten Kuvert nicht vorgedrungen.
Der Beklagte verwarf mit Einspruchse...