rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobes Verschulden i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei der Erstellung einer Einnahmen-Überschussrechnung durch einen Steuerberater
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist dem Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen, an den hinsichtlich der zu erwartenden Sorgfalt erhöhte Anforderungen zu stellen sind.
2. In der fehlenden EDV-Unterstützung bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung durch einen Steuerberater liegt für sich genommen kein grobes Verschulden.
3. Eine fehlende Vollständigkeitskontrolle der Summen- und Saldenlisten der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ist als grobe Sorgfaltswidrigkeit zu qualifizieren.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Änderung eines Einkommensteuerbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen eines groben Verschuldens des zwischenzeitlich verstorbenen und als Zeuge nicht mehr zur Verfügung stehenden Steuerberaters ausgeschlossen ist.
Die Kläger sind seit dem.1973 verheiratete und im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der am 1943 geborene Kläger ist von Beruf Zahnarzt mit eigener Praxis, die am 1949 geborene Klägerin ist Lehrerin. Die Kläger haben zwei Söhne. Die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr datiert vom 20.03.2003. Bei deren Anfertigung wirkte der Steuerberater und Diplom-Finanzwirt S mit, der im November 2008 verstarb. Auf der zweiten Seite der Anlage GSE gaben die Kläger Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit als Zahnarzt in Höhe von 404.524 DM an. Sie fügten eine von ihrem Steuerberater erstellte zweiseitige „Einnahme-Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG für das Kalenderjahr 2001” bei, in welcher der Gewinn von 404.524,70 DM als Differenz der Betriebseinnahmen von 883.732,22 DM und der Betriebsausgaben von 479.207,52 DM ausgewiesen wurde (Einkommensteuerakte Fach 2001, Blatt 8 f.).
Die Betriebsausgaben sind in der Einnahmenüberschussrechnung aufgegliedert, z.B. in die Positionen Personalkosten (191.594,94 DM) und Aufwendungen für Medikamente, Materialien, Labor und Technik (179.605,41 DM). Der Steuerberater vermerkte, er habe das vorstehende Ergebnis auf der Grundlage der vorgelegten Aufzeichnungen und Unterlagen sowie der erteilten Auskünfte als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt. Er hielt fest, Umsatz und Reingewinn hätten erfreulicherweise um 16,79% bzw. 33,35% gesteigert werden können.
Die Finanzbuchhaltungs- und Steuererklärungsarbeiten waren zwischen den Klägern und ihrem langjährigen Steuerberater wie folgt aufgeteilt: Der Kläger erfasste die laufenden Einnahmen und Ausgaben der Zahnarztpraxis in einem ersten Schritt im eigenen PC mit einem EDV-Programm, an dessen genaue Bezeichnung der Kläger sich im Erörterungstermin nicht mehr erinnern konnte. Hiervon ausgehend erstellte der Steuerberater in einem zweiten Schritt die Einnahmenüberschussrechnung und darauf aufbauend die Einkommensteuererklärung. Der Steuerberater übernahm die Buchhaltung des Klägers nicht in Dateiform, sondern in Papierform. Er erhielt die Unterlagen des Klägers monatlich, nach Ablauf des Jahres erhielt er die Kontensalden für den Dezember und eine Summen- und Saldenliste für das Gesamtjahr.
Der Steuerberater vervollständigte die Buchungen des Klägers um Jahresendkorrekturen wie insbesondere Abschreibungen und Erfassung von Privatanteilen. Im Interesse der besseren Nachvollziehbarkeit der Betriebsausgaben nahm der Steuerberater eine Umgliederung der Ausgaben in 22 Einzelpositionen vor. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Erläuterungen des Steuerberaters im Schreiben vom 23.05.2003 verwiesen (Rechtsbehelfsakte Blatt 1 f.). Die eigenen Arbeitspapiere und Berechnungen erstellte der Steuerberater handschriftlich bzw. mit einer Rechenmaschine. Eine EDV-basierte Unterstützung für die Erstellung der Einnahmenüberschussrechnung bestand im Büro des als Einzelsteuerberater tätigen Beraters nicht.
Nach Eingang der Einkommensteuererklärung am 21.03.2003 veranlagte das Finanzamt die Kläger gemäß der eingereichten Steuererklärung, setzte die Einkommensteuer auf 83.995,03 EUR (164.280 DM) fest und passte die Einkommensteuervorauszahlungen entsprechend an. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Einkommensteuerbescheid datiert vom 08.04.2003 (Einkommensteuerakte Blatt 18 f.) und wurde bestandskräftig.
Wegen aufgekommener Zweifel an der Richtigkeit der Einkommensteuerfestsetzung wandte sich der Kläger an den Steuerberater, der Kontakt mit dem Finanzamt aufnahm. Im Schreiben vom 23.05.2003 (Rechtsbehelfsakte Blatt 1 f.) nahm er Bezug auf ein vorangegangenes Telefonat mit dem Finanzamt vom 19.05.2003. Dem Kläger sei aufgefallen, dass die Zahlungen an Fremdlabore höher als in der Einnahmenüberschussrechnung deklariert ...