Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichterklärung von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung durch steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden. Einkommensteuer 2000 und 2001
Leitsatz (redaktionell)
Die Nichtgeltendmachung von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung in der Einkommensteuererklärung kann bei steuerlich nicht beratenen Steuerpflichtigen nicht als grob fahrlässiges Verhalten im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO angesehen werden.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; EStG 1997 § 33 Abs. 1
Tenor
I. Das Finanzamt wird verpflichtet, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2003 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuerschuld für 2000 von bisher 8.043 DM um 896 DM auf 7.147 DM = 3.654,20 EUR und die Einkommensteuerschuld für 2001 von bisher 7.408 DM um 339 DM auf 7.069 DM = 3.614,30 EUR herabgesetzt wird.
II. Das beklagte Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkommensteuer für 2000 und 2001 wegen nachgereichter Belege über Scheidungskosten noch geändert werden können.
Nach Ergehen der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2000 vom 29. Oktober 2001 und für 2001 vom 17. September 2002 reichte die Klägerin mit Schreiben vom 21. März 2003 Belege über Scheidungskosten in Höhe von insgesamt 6.925,65 DM nach, von denen 4.250,94 DM das Veranlagungsjahr 2000 und 2.674,71 DM das Veranlagungsjahr 2001 betrafen. Die Klägerin beantragte, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 zu ändern und die Scheidungskosten steuerlich noch zu berücksichtigen. Sie trug vor, sie sei davon ausgegangen, dass die Scheidungskosten generell nicht absetzbar seien. Wie sie jetzt erst erfahren habe, seien die Scheidungskosten in ihrem Fall steuerlich abzugsfähig und lägen auch über ihrer zumutbaren Eigenbelastung.
Das beklagte Finanzamt lehnte mit Bescheid vom 21. April 2003 unter Hinweis auf die Bestandskraft der vorgehenden Bescheide die Änderung derselben ab. Die Bescheide könnten auch nicht mehr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändert werden, da die Klägerin ein grobes Verschulden daran treffe, dass die Tatsachen und Beweismittel erst nachträglich dem Finanzamt bekannt geworden seien.
Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 02. Dezember 2003 hielt das beklagte Finanzamt daran fest, dass die Klägerin ein grobes Verschulden an der verspäteten Einreichung der Belege träfe.
Hiergegen richtet sich die am 30. Dezember 2003 bei Gericht eingegangene Klage mit der sich die Klägerin gegen die Annahme eines groben Verschuldens ihrerseits wendet. Sie räumt ein, dass sie zwar fahrlässig gehandelt habe, keineswegs aber grob fahrlässig. Ihr Versäumnis könne sie sich nur dadurch erklären, dass sie im Zusammenhang mit dem damals durch die Scheidung bedingten Streitereien und den beruflichen Belastungen als Lehrerin am Gymnasium mit erstmaligem Leistungskurs Musik sowie der Doppelbelastung als alleinerziehender Mutter eines damals erst dreijährigen Kindes keine Zeit gefunden habe, bei Abgabe der Steuererklärung die zugesandten mehrseitigen Erläuterungen gründlich durchzulesen. Ob dieser Irrtum verzeihlich sei, hänge auch von den individuellen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen ab, unabhängig von den Gegebenheiten des einzelnen Falls. Sie ist der Ansicht, dass ihr Versäumnis keinesfalls als grobes Verschulden gewertet werden könne, allenfalls handele es sich um eine verzeihliche Nachlässigkeit.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 dahingehend zu ändern, dass unter Berücksichtigung der geltend gemachten Scheidungskosten die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage aus den Gründen der Einspruchsentscheidung
abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Ansicht, dass die Anleitungen zu den Einkommensteuererklärungen 2000 und 2001 ausdrückliche Hinweise zur Behandlung von Scheidungskosten beinhalteten. Es hätte somit von der Klägerin erwartet werden könne und müssen, dass diese beachtet werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen.
In der Streitsache war am 19. Mai 2004 ein Gerichtsbescheid ergangen, gegen den das beklagte Finanzamt rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat. Damit ist der Gerichtsbescheid gegenstandslos.
Sodann hat am 30. September 2004 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat das beklagte Finanzamt sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin ein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung der Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung treffe.
Hat ein Steuerpflichtiger das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache grob verschuldet, ist eine Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheides zu seinen Guns...