Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinnahmung des Entgelts bei Beauftragung eines Dritten mit der Abrechnung und dem Einzug. Uneinbringlichkeit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dritten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein selbständiger Apotheker, der Heil- und Arzneimittel an eine Krankenkasse liefert und mit der Abrechnung seiner Leistungen gegenüber der Krankenkasse und dem Einzug des Entgelts für seine Rechnung einen Dritten (Inkassounternehmer) beauftragt hat, vereinnahmt das Entgelt bereits bei Zahlung der Krankenkasse an den Inkassounternehmer.
2. Das Entgelt wird nicht im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich, wenn über das Vermögen des Inkassounternehmers nach Erhalt des Entgelts von der Krankenkasse und vor dessen Weiterleitung an den Apotheker das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der für die Voranmeldungszeiträume August und September 2020 (Streitzeiträume) geschuldete Steuerbetrag gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu berichtigen ist, wenn über das Vermögen eines Dritten, der das vom Leistungsempfänger geschuldete Entgelt für Rechnung des Leistenden eingezogen hat, das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, bevor der Dritte das Entgelt an den Leistenden weitergeleitet hat.
Der Kläger betreibt als selbständiger Unternehmer eine Apotheke, die den (gesetzlichen) Krankenkassen die Arznei- oder Heilmittel liefert, die die Versicherten gemäß § 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) als Sachleistungen erhalten. Er berechnet die entstandene Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten. Die Voranmeldungen gibt der Kläger monatlich ab.
Mit einem „Vertrag zur Übernahme der Abrechnungstätigkeit und des Einzugs von Rezeptforderungen” beauftragte der Kläger gemäß § 300 Abs. 2 SGB V ein Rechenzentrum – R-Z GmbH – mit der Abrechnung mit den Krankenkassen. Der Vertrag bestimmte die „Höhe der Vorschusszahlung” mit 80 % und die Fälligkeit der „Vorschusszahlung” und der „Restzahlung” mit dem 7. bzw. 18. Tag des auf die Lieferung folgenden Kalendermonats. Nach § 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der R-Z GmbH sollte die Einziehung der Forderungen zwar im Namen der R-Z GmbH, jedoch für Rechnung des Klägers erfolgen. Nach § 6 der AGB der R-Z GmbH sollte außerdem im Einzelnen Folgendes gelten:
„Die … (R-Z GmbH) unterhält bei Geldinstituten zum Ausgleich der Forderungen der Apotheke ein eindeutig durch das Institutionskennzeichen (IK) der Apotheke bestimmtes, für die Kunden des jeweiligen Abrechnungskreises einheitliches Konto. Die … (R-Z GmbH) verfügt über dieses Konto nur zu Gunsten … (der) Apotheken, … nach Maßgabe der den Abrechnungskunden bereits gezahlten Abschlagszahlungen … und zu eigenen Gunsten in Höhe der ihr für ihre Tätigkeit zustehenden Vergütung. Die Apotheke tritt ihre gegenwertigen und zukünftigen Forderungen gegenüber den Kostenträgern an die … (R-Z GmbH) ab. Wenn die … (R-Z GmbH) auch mit dem Einzug weiterer Forderungen beauftragt ist, tritt die Apotheke auch diese Forderungen an die … (R-Z GmbH) ab. Die … (R-Z GmbH) nimmt die Abtretung an. Die … (R-Z GmbH) hat das Recht, die Forderungen an die kreditgewährende und die jeweilige Zahlung vorfinanzierende Bank abzutreten, welche die Zahlung bzw. Überweisung an die Apotheke vornimmt.
Im Falle einer Übersicherung kann der Apotheker insoweit von der … (R-Z GmbH) Rückabtretung verlangen. Die … (R-Z GmbH) ist ihrerseits berechtigt, jederzeit Forderungen wieder an den Apotheker zurückabzutreten; der Apotheker nimmt eine solche Rückabtretung hiermit an.
Die Apotheke wird bei der Beantragung des IK die von der … (R-Z GmbH) jeweils benannte Bankverbindung angeben und für die Dauer des Vertragsverhältnisses nur auf Anweisung der … (R-Z GmbH) eine Änderung dieser Bankverbindung vornehmen. Dies gilt auch für einen Wechsel der Abrechnungsstelle oder wenn eine Selbstabrechnung nicht fortgeführt wird. Die Apotheke ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass das von ihr angegebene IK richtig ist und die von der … (R-Z GmbH) genannte Bankverbindung für dieses IK eingetragen ist.”
Die R-Z GmbH wurde später mit einer […] (nachfolgend: Re-GmbH) verschmolzen.
Die Verschmelzung wurde am […] in das Handelsregister des Sitzes der Re-GmbH als übernehmenden Rechtsträgers eingetragen. Die R-Z GmbH und die Re-GmbH traten im Abrechnungsverfahren auch für die Krankenkassen erkennbar für Rechnung des Klägers auf. Sie vereinnahmten –ebenfalls für Rechnung des Klägers– diejenigen Geldbeträge, die die Krankenkassen für die Arzneimittellieferungen des Klägers schuldeten und bezahlten.
Die Re-GmbH beantragte am xx.xx. 2020 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Amtsgericht X (Insolvenzgericht) bestellte mit Beschluss vom xx.xx. 2020 einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Außerdem ordnete es an, dass Verf...