Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über das Erlöschen der Zahlungsverpflichtung aus einem Haftungsbescheid durch Abrechnungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Finanzbehörde und dem Adressaten eines Haftungsbescheids darüber, ob eine Zahlungsverpflichtung aus einem Haftungsbescheid erloschen ist, sind nicht durch Einlegung eines Einspruchs oder Erhebung einer Klage gegen den betreffenden Haftungsbescheid, sondern durch Beantragung eines Abrechnungsbescheids zu klären.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, §§ 47, 218 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsgegner den Antragsteller als ehemaligen Geschäftsführer einer B… GmbH i. L. mit Sitz zuletzt in C… (künftig: GmbH) wegen rückständiger Umsatzsteuern 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 11 390,52 EUR persönlich in Haftung nehmen kann.
Der Antragsgegner erließ am 3. Juni 2014 gegenüber dem Antragsteller einen auf § 191 Abs. 1 i. V. m. §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheid über insgesamt 77 635,02 EUR betr. rückständige Umsatzsteuern 2010, 2011 und 1. Quartal 2013. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller, vertreten durch die D… GmbH, mittels Schriftsatz vom 26. Juni 2014 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) desselben.
Der Antragsgegner gewährte daraufhin Aussetzung der Vollziehung nur in Höhe eines Teilbetrages von 10 194,56 EUR und wies den weitergehenden Antrag des Antragstellers mittels zweier Schreiben vom 14. August und vom 15. September 2014 mangels Vorhandenseins ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides zurück.
In der Folgezeit ergriff der Antragsgegner Beitreibungsmaßnahmen gegenüber dem Antragsteller (u. a. Ausbringung einer Kontenpfändung am 19. September 2014; Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft am 5. November 2014; Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft am 20. Juli 2015).
Mittels Schriftsatzes seiner o. g. Verfahrensbevollmächtigten vom 22. September 2014 beantragte der Antragsteller erneut die vollständige Gewährung von Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 gewährte der Antragsgegner nunmehr Aussetzung der Vollziehung in Höhe von insgesamt 65 434,33 EUR. Der Antragsgegner hielt mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 an seinem Antrag auf vollständige Gewährung von Aussetzung der Vollziehung fest.
Am 8. Januar 2015 erließ der Antragsgegner einen auf § 130 AO gestützten Teilrücknahmebescheid über 65 434,33 EUR, mittels dessen die Haftungssumme auf 12 200,69 EUR herabgesetzt wurde. Eine weitergehende Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids lehnte er gleichzeitig erneut ab.
Mittels Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Mai 2015 bat der Antragsteller u. a. erneut um Aussetzung der Vollziehung des restlichen Haftungsbescheids. Der Antragsgegner gab diesem Antrag mit Schreiben vom 8. September 2015 erneut nicht statt, sondern äußerte sich dahingehend, dass für den Fall einer Nichtrücknahme des Einspruchs binnen zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens mit einer Zurückweisung des Rechtsbehelfs als unbegründet zu rechnen sei.
Mittels Einspruchsentscheidung vom 16. März 2022 setzte der Antragsgegner die Haftungssumme auf 11 390,52 EUR herab. Sie betrifft nur noch rückständige Umsatzsteuern für die Jahre 2010 und 2011. Den weitergehenden Einspruch wies er als unbegründet zurück.
Daraufhin hat der Antragsteller fristgerecht Klage erhoben, die beim Senat unter dem Aktenzeichen 9 K 9035/22 anhängig ist und über die der Senat noch nicht entschieden hat. Parallel zu seiner Klage hat der Antragsteller auch ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim FG anhängig gemacht.
Zur Begründung seiner Klage und seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass gemäß § 37 i. V. m. § 228 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2020 Zahlungsverjährung des streitgegenständlichen restlichen Haftungsanspruchs eingetreten sei. Seit Juli 2015 würden seitens des Antragsgegners keinerlei Schreiben zum Haftungsbescheid und zu seinem Einspruch vorliegen. Im Übrigen habe er am 29. April 2015 bereits eine Teilzahlung in Höhe von 3 965,39 EUR auf die restliche streitgegenständliche Haftungsschuld erbracht, um den Antragsgegner zur Aufhebung einer Kontenpfändung zu veranlassen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 3. Juni 2014 in Gestalt des
Teilwiderrufsbescheids vom 8. Januar 2015 und
der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2022 bis zum
Ablauf eines Monats nach Zustellung einer Entscheidung im Verfahren
9 K 9035/22 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig, weil die Zugangsvoraussetzungen zum FG im Sinne von § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erfüllt seien. Der Antragsteller habe paralle...