rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs für finanzgerichtliche Verfahren aufgrund der möglichen Priorisierung der Registrierung „Fast Lane”) ungeachtet der individuellen späteren Bereitstellung bereits am 1.1.2023
Leitsatz (redaktionell)
1. Steuerberatern steht seit dem 1.1.2023 mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung, sodass sie in finanzgerichtlichen Verfahren seit diesem Zeitpunkt vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen als elektronische Dokumente übermitteln müssen (Anschluss an BFH, Beschluss v. 28.4.2023, XI B 101/22); die Verpflichtung der Steuerberater zur Einreichung elektronischer Dokumente bei den Finanzgerichten begann nicht etwa z. B. in dem späteren Zeitpunkt nach dem 1.1.2023, in dem ein Steuerberater seinen Registrierungsbrief von der Bundessteuerberaterkammer erhalten hat oder in dem er die individuelle Erstanmeldung im beSt vorgenommen hat (gegen FG Münster, Gerichtsbescheid v. 14.4.2023, 7 K 86/23 E; gegen Hessisches FG, Beschluss v. 21.3.2023, 10 V 67/23; gegen Niedersächsisches FG, Zwischengerichtsbescheid v. 14.4.2023, 9 K 10/23).
2. Eine Prozesserklärung, welche gegen § 52d FGO verstößt, ist formunwirksam.
3. Auch Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft fallen grundsätzlich unter § 52d Satz 2 FGO (BFH, Urteil v. 25.10.2022, XI R 3/22).
4. Hat eine Steuerberatungsgesellschaft sowohl im finanzgerichtlichen Hauptsacheverfahren als auch im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren erst geraume Zeit später (knapp zwei Monate nach Eingang des Fax-Klageschriftsatzes im Januar 2023) nach einem Hinweis des Berichterstatters auf die nach § 52d Satz 2 FGO bestehende elektronische Übermittlungspflicht ausgeführt, dass der ihre Geschäfte führende Steuerberater auf die Maßgeblichkeit des Registrierungsbriefs vertraut, deswegen keinen Fast-Lane-Antrag gestellt und den Registrierungsbrief der Bundessteuerberaterkammer tatsächlich erst im März 2023 erhalten habe, so ist sie weder „unverzüglich” im Sinne des § 52d Satz 4 FGO tätig geworden noch sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in vorigen Stand erfüllt.
Normenkette
FGO § 52d Sätze 1-2, 4, § 52a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 S. 1, § 62 Abs. 2 S. 1, § 69 Abs. 3; StBerG § 86 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nrn. 10-11; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren (4 K 4005/23) zum einen um die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung sowie in materiell-rechtlicher Hinsicht um die steuerrechtliche Behandlung (Steuerfreistellung mit Progressionsvorbehalt nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Irland bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen – DBA –) des vom Antragsteller in den Veranlagungsjahren 2018 bis 2020 (Streitzeitraum) in Irland bezogenen Arbeitslohns.
Der geschiedene Antragsteller wurde … im Vereinigten Königreich geboren und ist … Staatsbürger. Seit 2002 lebt er (ununterbrochen) im Inland (C.). In den Streitjahren wurde der Antragsteller vom Antragsgegner jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Seit dem … 2018 steht er in einem Anstellungsverhältnis zu der in Irland ansässigen B. Ltd. (fortan Arbeitgeberin).
Im Inland ging der Antragsteller in allen drei Streitjahren ganzjährig einer nichtselbständigen Tätigkeit für die B. GmbH mit Sitz in C. nach. 100 %ige Tochtergesellschaft der B. GmbH ist die D. Limited, welche in E./Irland ansässig ist und dort im Gesellschaftsregister registriert ist (…) und bei der irischen Finanzverwaltung unter … steuerlich geführt wird (Bl. 55 ff. ≪56≫ Gerichtsakte [GA] 4 V 4009/23). Die D. Limited erbringt vor Ort Serviceleistungen beim Testen von Software und Prozessabläufen. Zu ihren Kunden gehören Versicherungen, Automobil- und Textilienhersteller mit Sitz in Irland.
Ausweislich seines Arbeitsvertrages vom xx.xx.2018 (siehe „Contract of employment”, Bl. 129 ff. GA 4 K 4005/23) war er als Direktor/Gesellschaftssekretär bei der D. Limited, mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden angestellt, wobei eine tägliche zweistündige Arbeitszeit als Standard galt. Sein regelmäßiger Arbeitslohn betrug … EUR pro Monat zuzüglich einer etwaigen Überstundenvergütung. Im Arbeitsvertrag war ferner vereinbart, dass der Antragsteller verpflichtet ist, der Aufforderung seiner Arbeitgeberin, Überstunden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen abzuleisten, nachzukommen. Als Arbeitsort war E. in Irland vereinbart. Insoweit behielt sich die Arbeitgeberin das Recht vor, den Antragsteller an anderen Arbeitsorten einzusetzen (2.1. des Vertrages). Weiter war u.a. bestimmt, dass der Antragsteller bei Arbeitsüberlastung bzw. krankheitsbedingtem Arbeitsausfall von Kollegen verpflichtet ist, im Rahmen des Zumutbaren f...