Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit und nicht der Finanzgerichtsbarkeit für Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden
Leitsatz (redaktionell)
1. Will der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit einer beim Finanzamt beantragten Auskunft über gespeicherte Daten, Löschung von Daten sowie Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO und § 83 BDSG einklagen, ist hierfür nicht der Finanzrechtsweg, sondern der ordentliche Rechtsweg gegeben (hier: Zuständigkeit eines Landgerichts). § 32i Abs. 2 AO beschränkt sich auf (öffentlich-rechtliche) Klagen betroffener Personen gegen Finanzbehörden hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und erfasst nicht etwa auch Schadensersatzansprüche. Eine abweichende Rechtswegzuständigkeit ergibt sich auch nicht aus der DSGVO oder sonstigem Unionsrecht.
2. Der Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO bei Verstoß gegen die DSGVO auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter ist, soweit er sich gegen staatliche Stellen richtet, entsprechend der verfahrensrechtlichen Regelungen des jeweiligen Mitgliedstaats zur Durchsetzung von Ansprüchen bei Amtspflichtverletzungen geltend zu machen, in Deutschland mithin vor den ordentlichen Gerichten (Art. 34 Satz 3 GG, § 40 Abs. 2 VwGO, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG).
3. Art. 79 Abs. 2 DSGVO regelt nur die internationale Zuständigkeit, also die Gerichte welchen Staates für den Schadenersatzanspruch zuständig sind, nicht aber die sachliche und örtliche Zuständigkeit innerhalb des Mitgliedstaates, die sich nach jeweils nationalem Recht richtet.
4. Soweit das Verhalten einer Finanzbehörde jedoch bereits Gegenstand einer materiell rechtskräftigen finanzgerichtlichen Entscheidung war, ist das Zivilgericht im nachfolgenden Amtshaftungsprozess an die entscheidungstragenden finanzgerichtlichen Feststellungen zur Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns qua materieller Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung gebunden.
Normenkette
EUV 2016/679 Art. 79 Abs. 2; EUV 2016/679 Art. 82 Abs. 1; AO § 32i Abs. 2; DSGVO Art. 79 Abs. 2, Art. 82 Abs. 1; BDSG § 83; GG Art. 34 Sätze 1, 3; VwGO § 40 Abs. 2; BGB §§ 823, 929, 831, 839; GVG § 17a Abs. 1 S. 1, § 71 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 33 Abs. 1 Nrn. 1, 4, Abs. 2; ZPO § 32
Nachgehend
Tenor
1. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist unzulässig.
2. Das Verfahren wird an das Landgericht C… verwiesen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Dem Rechtsstreit liegt eine bei der Ehefrau des Klägers durchgeführte Betriebsprüfung im Zusammenhang mit Einkünften aus selbständiger Arbeit zugrunde.
Der Kläger begehrt mit am 22.03.2021 erhobener Klage Auskunft über gespeicherte Daten, Löschung von Daten, Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung und anderes. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 16 K …/21 geführt.
Unter anderem macht der Kläger Schadenersatz geltend und kündigt sinngemäß für die mündliche Verhandlung an zu beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, einen (wirksamen Straf-)Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO, § 83 BDSG zu leisten.
Mit Schreiben vom 21.04.2021 teilte der Vorsitzende den Beteiligten mit, dass für die Klage auf Schadenersatz möglicherweise nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein könne, weil es sich um einen Amtshaftungsanspruch handeln könne (Art. 34 Satz 3 Grundgesetz –GG–, § 40 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung –VwGO–). Es erscheine zweifelhaft, ob § 32i Abs. 2 Abgabenordnung –AO– auch Schadensersatzansprüche umfasse.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22.04.2021 zur Frage der Zulässigkeit des Finanz-rechtswegs vorgetragen, nach seiner Auffassung stelle Art. 82 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG –DSGVO– eine eigene Anspruchsgrundlage dar. Diese Anspruchsgrundlage bestehe neben der vom Gericht benannten Anspruchsgrundlage gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– i.Vm Art. 34 GG. Denn neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO stünden die allgemeinen Schadensersatzansprüche aus Vertrag, so § 280 BGB oder bei Vertragsabschluss § 311 Abs. 2 BGB, sowie die deliktischen nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts, Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der verletzten Norm der DSGVO, §§ 824, 826, 831 BGB oder § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Der Anspruch aus Art. 82 DSGVO sei für den Betroffenen wegen der Verschuldensvermutung sowie des Ersatzes immaterieller Schäden vorteilhaft. Art. 82 DSGVO sei ein eigenständiger deliktischer Anspr...