Anwalt muss Schadenersatz wegen verzögerter Datenübermittlung leisten
Nicht alle Rechtsanwälte kommen ihren Informationspflichten gegenüber ihren Mandanten immer korrekt nach. Häufig übersehen Anwälte hierbei, dass neben möglicher Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag auch datenschutzrechtliche Ansprüche der Mandanten wegen immaterieller Schäden nach der DSGVO im Raume stehen.
Anwaltsauskunft ließ 9 Monate auf sich warten
In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall hatte eine Mandantin ihren Rechtsanwalt in einer Verkehrsunfallsache mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beauftragt. Nachdem die Angelegenheit sich aus Sicht der Mandantin ungewöhnlich zäh entwickelte und sie von ihrem Anwalt auch nicht über den Stand der Angelegenheit auf dem Laufenden gehalten wurde, forderte sie diesen schriftlich zu einer detaillierten Auskunft und der Herausgabe einer Handakte auf. Dieser Aufforderung kam der Anwalt erst 9 Monate später im Rahmen des späteren Klageverfahrens nach.
Mandantin kündigt und fordert „Schmerzensgeld“
Wegen des schleppenden Verlaufs der Angelegenheit kündigte die Mandantin den Anwaltsvertrag und forderte ihren Anwalt zur Zahlung eines „Schmerzensgeldes“ sowie zur Rückzahlung der von ihm seitens der gegnerischen Haftpflichtversicherung bzw. von ihrer Rechtsschutzversicherung bereits erhaltenen Rechtsanwaltsvergütung auf. Das hierzu erstinstanzlich von der Auftraggeberin angerufene Gericht gab ihrer Klage teilweise, das zweitinstanzlich zuständige OLG weitgehend statt.
Datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch
Den von der Klägerin geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch bewertete das OLG als Anspruch auf Schadenersatz gemäß Art. 82 DSGVO. Diese Vorschrift gewährt jeder Person, die wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO einen materiellen oder immateriellen Schaden erleidet, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen bzw. gegen den Auftragsverarbeiter.
Eindeutiger Datenschutzverstoß des Anwalts
Gegen die Vorschriften der DSGVO hatte der Anwalt nach Auffassung des OLG eindeutig verstoßen. Gemäß Art. 15 Abs. 1, Abs. 3, Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO habe der Verantwortliche - in diesem Fall der Anwalt - innerhalb eines Monats nach Eingang eines Antrags auf Datenauskunft die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Eine solche Datenauskunft habe die Klägerin mit ihrer Aufforderung an den Anwalt zur Auskunftserteilung über den Stand des Mandats sowie zur Herausgabe seiner Handakte unstreitig gefordert. Unter Verletzung der Vorschriften der DSGVO sei der Beklagte dieser Aufforderung erst 9 Monate später nachgekommen.
Verletzung der Auskunftspflicht kann Schadensersatzanspruch auslösen
Das OLG folgte nicht der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass bloße Verstöße gegen Auskunftspflichten allein nicht geeignet seien, den datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruch auszulösen (LAG Hamm, Urteil v. 11.5.2021, 6 Sa 1260/20). Nach seinem Wortlaut setze Art. 82 Abs. 1 DSGVO lediglich einen „Verstoß gegen diese Verordnung“, also gegen die DSGVO, voraus und beschränke den Schadensersatzanspruch nicht auf bestimmte Verstöße. Etwas anderes sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht aus dem Sinn und Zweck des Schadensersatzanspruches und auch nicht aus den Erwägungsgründen zur DSGVO zu entnehmen.
Starke psychische Belastung erfüllt den immateriellen Schadensbegriff
In der Rechtsprechung ist weiter umstritten, ob es zur Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruches der Darlegung und des Nachweises eines konkreten Schadens bedarf (OLG Frankfurt, Urteil v. 2.3.2022, 13 U 206/20). Auf die Beantwortung dieser Frage kam es im konkreten Fall nach Auffassung des OLG nicht an, denn die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, dass die verzögerte Datenauskunft sie psychisch stark belastet und sie unter erheblichem Stress und Sorge im Hinblick auf die Regulierung ihrer Ansprüche aus dem Verkehrsunfallgeschehen gelitten habe. Dies reiche für die Darlegung eines immateriellen Schadens aus. Eine solche plausible psychische Belastung sei auch nicht als eine bloße, nicht schadenersatzpflichtige Bagatelle zu werten.
500 Euro sind als Schadenersatz ausreichend
Der Höhe nach hielt der Senat als Schaden einen Betrag in Höhe von 500 Euro für ausreichend und angemessen, um den der Klägerin entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen. Dabei berücksichtigte der Senat, dass sich das datenschutzrechtliche Fehlverhalten des Beklagten auf eine schleppende Bearbeitung beschränkt und der Beklagte darüber hinaus keine Datenschutzbestimmungen verletzt habe, insbesondere Daten der Klägerin nicht in unrechtmäßiger Weise Dritten zugänglich gemacht habe.
Anwaltsvertrag kann jederzeit gekündigt werden
Die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung der Anwaltsvergütung in Höhe von insgesamt 2.683,21 Euro hielt der Senat in vollem Umfange für begründet. Der Beklagte sei zur Rückzahlung an die Klägerin verpflichtet, da diese den Anwaltsvertrag wirksam gekündigt habe. Der Anwaltsvertrag habe als Dienstvertrag eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand und könne daher ohne Grund und ohne Einhaltung einer Frist von beiden Parteien gekündigt werden, §§ 627, 675 BGB (BGH, Urteil vom 7.3.2019, IX ZR 221/18).
Vertragswidriges Verhalten lässt Gebührenanspruch entfallen
Gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB behalte der Rechtsanwalt im Fall einer Kündigung grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch in dem Umfang, in dem er bereits gebührenauslösende Leistungen erbracht hat. Dies gelte gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB aber nicht, wenn der Anwaltsvertrag wegen vertragswidrigen Verhaltens des Anwalts gekündigt worden sei. Das vertragswidrige Verhalten des Anwalts sei in diesem Fall eindeutig in der schleppenden Mandatsbearbeitung und der unzureichenden Unterrichtung der Klägerin zu sehen. Insoweit habe die Klägerin, die nunmehr einen anderen Anwalt mit der Regulierung ihrer Unfallschäden habe beauftragen müssen, kein Interesse mehr an der bisherigen Tätigkeit des Beklagten, weshalb der Rechtsgrund für die Zahlung nachträglich entfallen sei.
(OLG Köln, Urteil v. 14.7.2022, 15 U 137/21)
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