Leitsatz (amtlich)
1. Erteilt ein Rechtsanwalt einer Mandantin eine Datenauskunft gem. Art. 15 DSGVO erst neun Monate nach deren Beantragung, begründet dies einen Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO (hier: 500 Euro).
2. Es trifft nicht zu, dass Art. 82 DSGVO nur solche Schäden erfasst, die "durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung" entstanden sind und dass damit Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 12 Abs. 3 bzw. Art. 15 DSGVO nicht als Grundlage für einen Ersatzanspruch dienen können. Denn in Art. 82 Abs. 1 DSGVO ist von einem "Verstoß gegen dieser Verordnung" die Rede und gerade nicht von einer verordnungswidrigen Datenverarbeitung.
3. Art. 82 Abs. 2 schränkt Ansprüche aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht ein.
4. Art. 4 Nr. 2 DSGVO ist begrifflich weit gefasst und umfasst auch die Offenlegung durch Übermittlung, worunter auch die Auskunftserteilung gem. Art. 15 DSGVO zu verstehen ist, weswegen der Erwägungsgrund 146 den Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht auf Fälle reduziert, in denen eine "Verarbeitung" mit der Verordnung nicht in Einklang steht.
5. Da die Erwägungsgründe 60, 63 und 75 eine faire und transparente Verarbeitung erfordern, wozu auch Kenntnis um die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und seine Zwecke gehören, um sich dieser bewusst zu werden und ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, spricht dies entscheidend dafür, die Ersatzpflicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO auf jeden Verstoß gegen Regelungen der Verordnung anzuwenden.
6. Bearbeitet ein Rechtsanwalt ein Mandat nur sehr schleppend und kommuniziert den Verlauf der Mandatsbearbeitung nicht ordnungsgemäß, liegt darin als Verletzung des Anwaltsvertrages auch ohne Fristsetzung mit Kündigungsandrohung ein fristloser Kündigungsgrund gem. § 628 Abs. 1 BGB. Beauftragt die Mandantin in der gleichen Sache sodann erneut einen Rechtsanwalt, sind ihr die kündigungsbedingt entstandenen Kosten als Schadensersatz in voller Höhe zu erstatten.
7. Der Streitwert einer Datenauskunftsklage ist mit 5.000 Euro zu bemessen.
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 15 O 356/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 1.7.2021 (15 O 356/20) teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt,
1. die Klägerin über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 216,40 Euro freizustellen,
2. an die Klägerin für die verzögerliche Erteilung der Datenauskunft einen Betrag in Höhe von 500 Euro zuzüglich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2020 zu zahlen,
3. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.683,21 Euro zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und zweiter Instanz einschließlich der den Streithelferinnen entstandenen Kosten trägt der Beklagte.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt ihren ehemaligen Anwalt - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - auf Zahlung von Ersatz immaterieller Schäden wegen verspäteter Datenauskunft, auf Freistellung von weiteren außergerichtlichen Anwaltskosten für die Geltendmachung der Datenauskunft sowie auf Feststellung des Nichtbestehens einer Gebührenforderung aus dem früheren Mandat in Anspruch. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen zurückgewiesen. Der negative Feststellungsantrag hinsichtlich einer (weiteren) Vergütungsforderung des Beklagten in Höhe von 1.499,81 Euro aus der Rechnung vom 31.8.2020 sei begründet, da dem Beklagten aus dieser Rechnung nur ein Gebührenanspruch in Höhe von 2.348,94 Euro zugestanden habe, der bereits durch den von ihm vereinnahmten Vorschuss in Höhe von 4.671,11 Euro abgedeckt werde, womit er weitere Zahlungen nicht verlangen könne. Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO könne die Klägerin dagegen nicht verlangen und der Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten bestehe nur in Höhe von 41,77 Euro, weil der Gegenstandswert für die datenschutzrechtliche Auskunft lediglich mit 500 Euro zu bemessen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge im Umfang der Zurückweisung weiter. Darüber hinaus macht sie als neuen Hilfsantrag zur primär verlangten Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht nunmehr auch einen Feststellungsanspruch dahingehend geltend, dass dem Beklagten "insgesamt keine Ansprüche" aus der Rechnung vom 31.8.2020 zustehen.
Die Klägerin macht geltend, die Anwaltsgebühren ihres P...