Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Überprüfung der Prüfungsentscheidungen im Rahmen der Steuerberaterprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Prüfungsentscheidungen im Rahmen der Steuerberaterprüfung bilden im Grundsatz höchstpersönliche Werturteile, die nur in eingeschränktem Umfang einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind. Das Gericht kann lediglich überprüfen, ob die Prüfungsentscheidung an fachlichen Mängeln leidet, ob der Prüfungsausschuss oder die einzelnen Prüfer gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen, insbesondere den prüferischen Bewertungsspielraum überschritten haben und ob die für die Prüfung maßgebenden Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind.
2. Eine umfassende gerichtliche Kontrolle findet nur hinsichtlich fachlicher Fragen statt. Soweit die Prüfer hingegen prüfungsspezifische Fragen beurteilen, steht ihnen ein sogenannter Bewertungsspielraum zu, den die Gerichte nur in eingeschränktem Umfang überprüfen dürfen.
3. Aus dem Grundsatz der Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass die prüfungsspezifischen Wertungen im Gesamtkontext des Prüfungsverfahrens getroffen werden müssen. Prüfungsnoten sind daher nicht isoliert zu sehen.
4. Es ist nicht zu beanstanden, wenn Prüfer zutreffende Ausführungen zu relevanten Einzelpunkten deshalb nicht oder allenfalls als unbedeutende Leistung bewerten, weil sie nicht sinnvoll geordnet oder nicht prägnant bzw. sogar zusammenhanglos dargestellt und ohne deutlichen Bezug zur geforderten Falllösung erscheinen.
5. Die Vergabe eines Punktes kann nicht bereits dann beansprucht werden, wenn ein Prüfling sich irgendwie zu dem Lösungsweg geäußert hat, der in der Musterlösung angesprochen ist. Auch das Punkteschema und erst Recht Stellungnahmen in der Literatur sind keine geeignete Grundlage, die Vergabe einzelner Punkte zu erzwingen.
6. Die Prüfungsbehörde ist nicht verpflichtet, etwaige Aufzeichnungen der Prüfer zu den Akten zu nehmen und aufzubewahren; diese dienen in erster Linie der persönlichen Hilfestellung für die Prüfer im Hinblick auf die im Anschluss an die Prüfung erforderliche Notenvergabe.
Normenkette
StBerG § 37; StBerGDV §§ 25-26, 29, 31; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin nahm im Hinblick auf ihren ersten Wiederholungsantrag an der Steuerberaterprüfung 2006 teil. Im Rahmen der schriftlichen Prüfung bewerteten die Prüfer die erste Arbeit (Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete) mit der Note 4,5. Dabei hatten die Prüfer, Herr B und Herr C, 46 bzw. 44,5 Wertungspunkte vergeben; für die Note 4 wären 50 Punkte erforderlich gewesen. Der Prüfungsausschuss bewertete die zweite Aufsichtsarbeit (Ertragssteuern) mit der Note 5,0. Herr D und Frau E als Prüfer hatten lediglich 33 und 33,5 Punkte vergeben. Für die Note 4,5 wären 40 Leistungspunkte erforderlich gewesen. Die dritte Aufsichtsarbeit (Buchführung und Bilanzwesen) bewertete der Prüfungsausschuss mit der Note 4,0. Dabei hatten die Prüfer, Herr F. und Herr G. –… –, 49,5 sowie 50 Punkte zuerkannt.
Die durchschnittliche Gesamtnote betrug hiernach ([4,5 + 5 + 4]: 3 =) 4,5. Dementsprechend ließ die Beklagte durch Bescheid am 23. Januar 2007 die Klägerin zur mündlichen Prüfung zu, § 25 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB).
In der mündlichen Prüfung am … wählte die Klägerin für ihren Vortrag das Thema: „Bewertung des Vorratsvermögens in Handels- und Steuerbilanz”. Die Prüfungskommission bewertete den Vortrag mit der Note 4,5. Im ersten Prüfungsabschnitt (F – Betriebswirtschafts- und Rechnungswesen) sowie im vierten Prüfungsabschnitt (Wirtschaftsprüfer und Steuerberater H – Steuern vom Einkommen und Ertrag) erzielte die Klägerin jeweils die Note 3,5. Im zweiten Prüfungsabschnitt (C – Steuerliches Verfahrensrecht und Volkswirtschaft) sowie im sechsten Prüfungsabschnitt (Steuerberater I – Bewertungsrecht, Erbschaftsteuer) erreichte die Klägerin jeweils die Note 4,0. Schließlich bewertete die Prüfungskommission den dritten Prüfungsabschnitt (B-Handelsrecht sowie Grundzüge des Bürgerlichen Rechts) mit der Note 4,5 und die Leistungen der Klägerin im fünften Prüfungsabschnitt (Rechtsanwalt und Steuerberater J – Verbrauch- und Verkehrssteuern) mit der Note 5,0.
Die Gesamtnote der mündlichen Prüfung betrug gemäß § 27 Abs. 3 DVStB 4,14, das Ergebnis der Prüfung insgesamt gemäß § 28 DVStB belief sich auf die Note 4,32. Ausweislich der Niederschrift über den mündlichen Teil der Prüfung eröffnete der Prüfungsvorsitzende der Klägerin das Nichtbestehen der Prüfung. Daraufhin verlangte die Klägerin eine Bekanntgabe der tragenden Gründe der Entscheidung. Nach den Angaben in der Niederschrift kam der Prüfungsausschuss diesem Begehren durch das detaillierte Erläutern der tragenden Gründe nach.
Zeitgleich mit der Klageerhebung beantragte die Klägerin das Einleiten des Überdenkungsver...