Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft nur bei sachlichem und zeitlichem Zusammenhang zwischen Anteilsübertragung und Zuführung neuen Betriebsvermögens. ohne Branchenwechsel ist allein das Anlagevermögen maßgebend, eine Erhöhung des Umlaufvermögens dagegen unschädlich
Leitsatz (redaktionell)
1. § 8 Abs. 4 KStG ist einschränkend dahin auszulegen, dass die Vorschrift nur dann zur Anwendung gelangt, wenn zwischen der qualifizierten Anteilsübertragung und der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht.
2. Ein solcher Zusammenhang ist nicht bereits deshalb gegeben, weil sich das Betriebsvermögen und die Umsatzerlöse der Kapitalgesellschaft etwa drei Jahre nach der Übertragung der Geschäftsanteile vervielfacht haben, ohne dass ein sachlicher Zusammenhang zu der Anteilsübertragung erkennbar wäre.
3. Überwiegend neues Betriebsvermögen liegt bei Erhöhung des Umlaufvermögens infolge eigener wirtschaftlicher Tätigkeit der Körperschaft nicht vor, wenn ein Branchenwechsel nicht gegeben ist. Maßgeblich ist in diesem Falle allein das Anlagevermögen.
Normenkette
KStG 2002 § 8 Abs. 4
Tenor
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2005 vom … 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2008 wird dahingehend geändert, dass der festgestellte verbleibende Verlust zur Körperschaftsteuer um EUR 179 290 erhöht wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigungsfähigkeit eines körperschaftsteuerlichen Verlustvortrages.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb und die Veräußerung sowie der Handel mit Immobilien, die Vermittlung von Immobilien und der Erwerb und die Veräußerung von Firmenbeteiligungen ist. Alleiniger Gesellschafter war zunächst Herr B mit einem Geschäftsanteil von DM 50 000. Mit notariellem Vertrag vom … 2003 übertrug B einen Geschäftsanteil in Höhe von DM 45 000 (90 %) auf seine Mutter, Frau C.
Im November 2002 erwarb die Klägerin ein größeres Grundstück in D, das als Bauerwartungsland in Bauland umgewandelt und danach an einzelnen Bauherren verkauft werden sollte. Die Klägerin bilanzierte das Grundstück, dem Zeitpunkt des Übergangs von Nutzungen und Lasten folgend, erstmals in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005, und zwar zutreffend als Umlaufvermögen.
Das Vermögen und das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin stellten sich in den Jahren 2003 bis 2005 wie folgt dar:
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31.12.2002 |
31.12.2003 |
31.12.2004 |
31.12.2005 |
Aktivvermögen gesamt |
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167 988,97 EUR |
148 101,47 EUR |
772 912,98 EUR |
Anlagevermögen |
81 245,33 EUR |
30 334,80 EUR |
24 145,70 EUR |
32 430,26 EUR |
zvE |
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./. 22 553,00 EUR |
./. 63 530,00 EUR |
./. 44 862,00 EUR |
Der Beklagte stellte fest, dass die Erhöhung des Aktivvermögens der Klägerin zwischen dem 31. Dezember 2004 und dem 31. Dezember 2005 im wesentlichen auf der Aktivierung des Grundstücks bzw. von Aufwendungen auf das Grundstück in D beruhte. Er sah die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) danach als gegeben an, wobei er zugunsten der Klägerin davon ausging, dass das neue Vermögen zu Beginn des Jahres 2005 zugeführt worden und der im Jahre 2005 erwirtschaftete Verlust überwiegend erst später entstanden sei. Er versagte mit dem hier angefochtenen Bescheid den Verlustabzug zum 01. Januar 2005 in Höhe von EUR 179 290. Der Einspruch der Klägerin dagegen hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom … 2008).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass unter der Zuführung neuen Betriebsvermögens i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG jedenfalls dann, wenn nicht gleichzeitig ein Branchenwechsel zu verzeichnen ist, nur Anlagevermögen zu verstehen sei. Ihr, der Klägerin, Anlagevermögen habe sich in der Zeit von 2003 bis 2005 aber nicht signifikant vermehrt. Zudem lasse sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) entnehmen, dass der Ausschluss des Verlustabzuges nicht erst ab dem Zeitpunkt der Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale, sondern vom Zeitpunkt der Anteilsübertragung an, also rückwirkend, zu versagen sei. Demzufolge sei mindestens der Verlust des Jahres 2004 und der Verlust des Jahres 2003 anteilig zu berücksichtigen. Auch fehle es an einem für die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der Leistung von Aufwendungen auf das Grundstück in D. Die Zahlungen auf das Grundstück seien erst fast zwei Jahre nach der Übertragung des Geschäftsanteils geleistet worden. Schließlich habe sich die innergesellschaftliche Willensbildung bei ihr, der Klägerin, nicht geändert. Insoweit ...