rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH in der Krise für einzubehaltende Lohnsteuer. Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO
Leitsatz (redaktionell)
1. Der GmbH-Geschäftsführer darf während einer finanziellen Krise der Gesellschaft die Löhne ggf. nur gekürzt als Vorschuss oder Teilbetrag auszahlen, so dass er aus den dann übrig bleibenden Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das FA abführen kann. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, weil er darauf vertraut, er werde die Steuerrückstände später nach Behebung der Liquiditätsschwierigkeiten ausgleichen können, so ist er damit bewusst das Haftungsrisiko eingegangen, und die Nichtrealisierung dieser Erwartungen liegt in seiner Risikosphäre.
2. „Zahlungsunfähigkeit” i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO liegt vor, wenn eine GmbH nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Wochen mindestens 90 % ihrer fälligen Verbindlichkeiten zu tilgen.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, § 69; InsO § 17 Abs. 2
Tenor
Die Haftungssumme in dem Haftungsbescheid vom 9. Juni 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. April 2009 wird auf … EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 76 v. H. und der Beklagte zu 24 v. H. zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Finanzamt … den Kläger als ehemaliges Vorstandsmitglied der 1990 gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung „A.” mit Sitz in B (Republik …) sowie Geschäftsführer von deren inländischer Zweigniederlassung in C für rückständige Lohnsteuern etc. der Gesellschaft persönlich in Haftung nehmen darf.
Die deutsche Zweigniederlassung der A mit Sitz in C wurde am … 1992 in das Handelsregister des Amtsgerichts D (Bundesland …) eingetragen. Als Geschäftsführer dieser Niederlassung wurde gleichzeitig der … geborene Kläger, von Beruf …, eingetragen. Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand der am … 1990 in B (Republik …) gegründeten A war u. a. die Durchführung von Bauarbeiten.
In der Zeit von Oktober 1992 bis zum … 2009 (dem Tag, an dem der Kläger namens der A an deren Verwaltungssitz in … Insolvenz anmeldete) hatte der Kläger außerdem das Amt eines Vorstandsmitgliedes der A inne.
Bereits zwei Jahre vor ihrer handelsregisterlichen Eintragung, ab dem … Juli 1990, war die deutsche Zweigniederlassung der A im Inland als Subunternehmerin einer E mit Sitz in F tätig, deren Mehrheitsgesellschafter der Kläger war. Zumindest in den Jahren 2001 und 2002 war der Kläger und/oder seine Ehefrau ebenfalls Mehrheitsgesellschafter der A (vgl. Schreiben des Finanzamts D vom 10. Mai 2005).
Nach den Angaben in ihren Lohnsteueranmeldungen im Streitjahr 2006 beschäftigte die deutsche Zweigniederlassung der A im Inland Arbeitnehmer und zahlte an diese Arbeitslöhne aus. Die Lohnsteueranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2006 gingen rechtzeitig beim Beklagten ein; die darin angemeldeten Beträge wurden jedoch nicht oder nicht vollständig entrichtet. Die Lohnsteueranmeldung für den Monat März 2006 ging verspätet beim o. g. Finanzamt ein. Die sich daraus ergebenden Zahlungsbeträge wurden nicht entrichtet. Für die Monate April bis Dezember 2006 wurden zunächst Lohnsteuerbeträge angemeldet, jedoch nicht beglichen. Im April 2007 wurden für die Monate April bis einschließlich Dezember 2006 berichtigte Lohnsteueranmeldungen über jeweils 0,00 EUR eingereicht. Aufgrund der Nichtzahlung bzw. verspäteten Zahlung der vorgenannten Abgabenverbindlichkeiten wurden Säumniszuschläge verwirkt, die ebenfalls nicht entrichtet wurden.
Der Beklagte erließ daraufhin am …, am … und am … 2006 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber mutmaßlichen Drittschuldnern (… sowie …), die jedoch weitgehend fruchtlos blieben. Dies gilt auch für seine Vollstreckungsersuchen an das FA D vom … 2006 und vom an die … Finanzverwaltung vom … 2008 (unter Berufung auf Art. 7 der sog. Beitreibungsrichtlinie der Europäischen Union 76/308/EWG).
Mit auf § 69 i. V. m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) gestütztem Haftungsbescheid vom 9. Juni 2008 nahm der Beklagte den Kläger wegen rückständiger Lohnsteuern nebst Solidaritätszuschlägen hierzu sowie Lohnkirchensteuern einschließlich der zu den vorgenannten Abgabenverbindlichkeiten verwirkten Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt … EUR persönlich in Haftung. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos und wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 24. April 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger habe grob fahrlässig nicht dafür gesorgt, dass die deutsche Zweigniederlassung der A die von ihr selbst angemeldeten Lohnsteuern fristgerecht an ihn abgeführt habe.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er als Vorstandsmitglied der A und Geschäftsführer ihrer inländischen Zweigniederlassung keine grob fahrlässige Pflichtverletzung i. S. von § 69 i. V. m. § 34 AO begangen habe. Der Zweigniede...