rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug aus Bewirtungsaufwendungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verstoß gegen die einkommensteuerrechtlichen Aufzeichnungspflichten für Bewirtungsaufwendungen (z.B. ein fehlender Bewirtungsbeleg) führt nicht zugleich zur Versagung des Vorsteuerabzugs; entscheidend ist insoweit vielmehr, ob die unternehmerische Verwendung der Bewirtungsleistungen nachgewiesen und die Aufwendungen nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen zu beurteilen sind.
2. Die Versagung des Vorsteuerabzugs allein auf Grundlage der Nichteinhaltung von Formvorschriften – unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nachweisen kann – stellt eine mit dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz nicht zu vereinbarende Belastung des Steuerpflichtigen dar.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Abs. 1a; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2; EGRL 112/2006 Art. 176 Abs. 2
Tenor
Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 10. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2017 wird aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Unternehmensberater und Dozent. In seiner am 1. Februar 2016 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2013 erklärte er Vorsteuern i. H. v. insgesamt 9.157,86 EUR. In diesem Betrag waren Vorsteuerbeträge i. H. v. 641,25 EUR enthalten, die auf vom Kläger getätigte Bewirtungsaufwendungen entfielen. Hierbei handelte es sich um Geschäftsessen mit Geschäftspartnern des Klägers. Die entsprechenden Belege hierzu enthielten zunächst keine Eintragungen zum Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Belegheftung in der Umsatzsteuerakte des Beklagten verwiesen.
Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu. Im Rahmen einer am 28. November 2016 begonnenen abgekürzten Außenprüfung bei dem Kläger gelangte der Prüfer u. a. zu der Rechtsauffassung, dass die geltend gemachten Vorsteuern i. H. v. 641,25 EUR im Zusammenhang mit den Bewirtungsaufwendungen nicht zu gewähren seien, da die erforderlichen Eintragungen zum Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung nicht auf den Bewirtungsbelegen vorgenommen worden seien. Der Beklagte folgte der Beurteilung des Prüfers und erließ am 10. Januar 2017 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr.
Mit seinem hiergegen erhobenen Einspruch holte der Kläger die bislang fehlenden Eintragungen auf den Bewirtungsbelegen nach und machte weiterhin den Vorsteuerabzug geltend. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass es umsatzsteuerrechtlich unerheblich sei, wann die Eintragungen auf den Bewirtungsbelegen erfolgt seien. Der Vorsteuerabzug dürfe nicht allein aufgrund der Missachtung von etwaig bestehenden Formvorschriften versagt werden.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 10. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass ein Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Bewirtungsaufwendungen nur in Betracht komme, wenn die ertragsteuerlich erforderlichen Eintragungen zum Anlass und den Teilnehmern der Bewirtung zeitnah erfolgten. Dies sei im Streitfall jedoch nicht der Fall.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte eine Umsatzsteuerakte (teilweise paginiert von Bl. 1 bis Bl. 16), eine Akte „Betriebsprüfungsberichte” (nicht paginiert), eine Akte „Bilanzen 2011” (nicht paginiert) sowie eine Feststellungsakte (Band 2, paginiert von Bl. 1 bis Bl. 118) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Bewirtungsaufwendungen ist vom Beklagten zu Unrecht versagt worden.
Nach § 15 Abs. 1a Satz 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – in der im Streitjahr geltenden Fassung sind nicht abziehbar Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt (§ 15 Abs. 1a Satz 2 UStG). Ertragsteuerlich dürfen gem. § 4 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 EStG Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht...