Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz für Gewinne EU/EWR-ausländischer, beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften nach dem Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren in den Jahren 1993 bis 2000 (Nachfolgeentscheidung zu BFH, Urteil v. 24.8.2011, I R 5/08)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bestimmung des für inländische Betriebsstätten beschränkt steuerpflichtiger EU/EWR-ausländischer Kapitalgesellschaften maßgeblichen Steuersatzes in den Jahren 1993 bis 2000 ist nach dem BMF-Schreiben v. 17.10.2007 (IV B 7-S 2800/07/0001, BStBl 2007 I S. 766) vorzunehmen. Es besteht kein Anspruch auf eine Besteuerung nach einem niedrigeren Steuersatz von höchstens 15 %. Nach dem BMF-Schreiben ist in einem ersten Schritt auf das zu versteuernde Einkommen (zuzüglich darin nicht enthaltener Betriebsvermögensänderungen i. S. v. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1991/1996/1999 wie z. B. Investitionszulagen) der für den jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgebliche Ausschüttungssteuersatz (§ 27 Abs. 1 KStG 1991/1996/1999) anzuwenden.
2. In einem zweiten Schritt ist die Steuerbelastung zu erhöhen, sofern im zu versteuernden Einkommen nichtabziehbare Ausgaben i. S. d. § 31 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1991/1996/1999 enthalten sind. Zu diesen Ausgaben rechnet auch der Solidaritätszuschlag.
3. Schließlich ist in einem dritten Schritt auf der Grundlage der Ausschüttungsfiktion (als ausgeschüttet gilt dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem handelsrechtlichen Betriebsvermögen am Schluss des letzten im Veranlagungszeitraum endenden Wirtschaftsjahrs der Betriebsstätte und dem am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs) auf den Ausschüttungsbetrag der jeweils maßgebende Kapitalertragsteuersatz für Dividenden in Ansatz zu bringen. Schließlich ist eine „Günstigerprüfung” anhand des Betriebsstättensteuersatzes bzw. (für 1999 und 2000) des Steuersatzes nach § 23 KStG auf das zu versteuernde Einkommen vorzunehmen.
Normenkette
KStG 1991/1996/1999 § 2 Nr. 1; KStG 1991/1996/1999 § 23 Abs. 1; KStG 1991/1996/1999 § 23 Abs. 2 S. 1; KStG 1991/1996/1999 § 23 Abs. 3; KStG 1991/1996/1999 § 27 Abs. 1; KStG 1991/1996/1999 § 30 Abs. 2 Nr. 2; KStG 1991/1996/1999 § 31 Abs. 1 Nr. 4; DBA Niederlande Art. 5, 24, 13 Abs. 2, 4; EG Art. 43, 56
Tenor
Die Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 1997 vom 29. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2006 werden gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Finanzgerichtsordnung mit der Maßgabe geändert, dass von einer um 120.538 DM verminderten verdeckten Gewinnausschüttung auszugehen ist.
Die Bescheide über Körperschaftsteuer für 1993 und 1995 vom 29. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2006 sowie die Bescheide über Körperschaftsteuer für 1999 und 2000 vom 13. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2006 werden dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer auf 89.418,60 DM (1993), 39.198,71 DM (1995), 20.232,78 DM (1999) sowie 255.387,13 DM (2000) festzusetzen ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 85 % der Klägerin und zu 15 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtszug. Die Beteiligten streiten nunmehr um das Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus für Einkünfte der Klägerin aus mehreren inländischen Betriebsstätten und den hierauf gegebenenfalls anzuwendenden Körperschaftsteuersatz.
Die Klägerin ist eine niederländische Kapitalgesellschaft. In den Jahren 1993 bis 2001 unterhielt sie in Deutschland mehrere Betriebsstätten und erzielte dort mit Leistungen der Unternehmensberatung und Projektentwicklung inländische Einkünfte. Der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin befand sich in den Niederlanden.
Im August 1993 schloss die Klägerin mit ihren beiden mittelbaren Gesellschafterinnen – ebenfalls in den Niederlanden ansässige Kapitalgesellschaften – Managementverträge ab, nach denen die beiden mittelbaren Gesellschafterinnen, handelnd durch ihre jeweiligen Geschäftsführer, gegen Entgelt das Management der Klägerin einschließlich der täglichen Unternehmensleitung zu übernehmen hatten. Im Jahr 1999 mietete die Klägerin von ihrer Gesellschafterin – einer ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Kapitalgesellschaft – einen Oldtimer-Doppeldeckerbus als Werbeträger an. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit den Managementverträgen und dem Mietvertrag ordnete die Klägerin ihren deutschen Betriebsstätten zu.
Der Beklagte gelangte bei einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, dass die aufgrund des Managementvertrags geleisteten Vergütungszahlungen der Klägerin teilweise – nämlich in Höhe von 259.920 DM (1995), 199.440 DM (1996), 193.556 DM (1997) und 531.521 DM (2000) – unang...