Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Steuerberaterprüfung. Tätigkeit als Sachbearbeiter oder in vergleichbarer Stellung ab der Übertragung des Zeichnungsrechts eines Sachbearbeiters
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Beamter des gehobenen Dienstes oder vergleichbarer Angestellter ist im Sinne des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG als Sachbearbeiter oder in vergleichbarer Stellung tätig, wenn er im Grundsatz eigenverantwortlich das Arbeitsgebiet in einem Finanzamt bearbeitet. Entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass er über das Zeichnungsrecht eines Sachbearbeiters verfügt.
2. In diesem Zusammenhang kommt es weder darauf an, dass der Bearbeiter bereits vor Übertragung des Zeichnungsrechts probeweise die Aufgaben eines Sachbearbeiters wahrgenommen hat, noch darauf, dass er erst zu einem späteren Zeitpunkt qualifizierende Lehrgänge und Prüfungen absolviert hat.
Normenkette
StBerG § 38a Abs. 1, § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 35 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet, die verbindliche Auskunft vom 05.09.2007 dahingehend zu ändern, dass die Klägerin bereits ab dem 26.01.1996 als Sachbearbeiterin oder mindestens in gleichwertiger Stellung gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG tätig gewesen ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 4/7 und die Beklagte zu 3/7 zu tragen.
Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Hinblick auf eine verbindliche Auskunft gemäß § 38a Abs. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG), ab welchem Zeitpunkt die Klägerin eine hinreichend qualifizierte Vortätigkeit im Sinne des § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG ausgeübt hat.
Die Klägerin trat im April 1992 als Verwaltungsangestellte in den Dienst der … Finanzverwaltung ein. Bis zum 20.12.1993 war sie insbesondere als Mitarbeiterin Veranlagungsstelle (Probezeit) tätig und nahm an verschiedenen Angestelltenlehrgängen teil. Ab dem 21.12.1993 kam es zu folgender dienstlichen Verwendung:
vom 21.12.93 |
bis 27.02.94 |
Probeweise Aufgabenübertragung, Sachbearbeiterin Veranlagung |
vom 28.02.94 |
bis 22.04.94 |
Teilnahme am Angestelltenlehrgang (Abschlusslehrgang) |
vom 23.04.94 |
bis 31.01.95 |
Probeweise Aufgabenübertragung, Sachbearbeiterin Veranlagung |
vom 01.02.95 |
bis 26.01.97 |
Einsatz als Sachbearbeiterin Veranlagung; ab 26.01.1996: Zeichnungsbefugnis einer Sachbearbeiterin |
vom 27.01.97 |
bis 21.03.97 |
Teilnahme (ganztägig) an „Sachbearbeiterschulung Teil I” |
vom 22.03.97 |
bis 20.04.97 |
Sachbearbeiterin Veranlagung |
vom 21.04.97 |
bis 13.06.97 |
Teilnahme (ganztägig) an „Sachbearbeiterschulung Teil II” |
In der Zeit vom 21.12.1993 bis zum 13.06.1997 wurde die Klägerin probeweise als zusätzliche Sachbearbeiterin auf dem Veranlagungsplatz … des Finanzamts … eingesetzt. Dieser Veranlagungsplatz setzte sich aus einem Sachbearbeiter, einem zusätzlichen Sachbearbeiter und zwei Bearbeitern zusammen. Für drei bis fünf Steuerbezirke mit den Schwerpunkten Textileinzelhandel sowie Grundstücksgemeinschaften waren Steuerpflichtige mit Einkünften gemäß §§ 15, 18 und 19 Einkommensteuergesetz (EStG) zu veranlagen. Dabei waren beide Sachbearbeiter gemeinschaftlich für den Veranlagungsplatz verantwortlich. Von Beginn ihrer Tätigkeit im Dezember 1994 an war die Klägerin gegenüber den beiden Mitarbeitern – in fachlicher Hinsicht, mithin nicht personalrechtlich – weisungsbefugt.
Zunächst verfügte die Klägerin lediglich über ein – ihr im Juni 1993 eingeräumtes – umfassendes Bearbeiterzeichnungsrecht (vergleichbar mit den Mitarbeitern des mittleren Dienstes). In dieser Zeit musste sie im Regelfall die Akten zur Schlusszeichnung dem Sachgebietsleiter vorlegen. Nachdem sie sich in ihrer Tätigkeit bewährt hatte, wurde ihr mit Wirkung vom 26.01.1996 die Zeichnungsbefugnis einer Sachbearbeiterin erteilt.
Bei den Lehrgängen „Sachbearbeiterschulung Teil I” (27.01. bis 21.03.1997) und „Sachbearbeiterschulung Teil II” (21.04. bis 13.06.1997) handelte es sich um Ganztagesveranstaltungen in der Finanzschule. Die erfolgreiche Teilnahme setzte mehrere Leistungsnachweise in Form von mindestens mit „ausreichend” benoteten Klausuren voraus. Während der längerfristigen Abwesenheit der Klägerin wurde der Veranlagungsplatz … personell nicht verstärkt.
Seit dem 14.06.1997 war die Klägerin zunächst bis zum 03.08.1997 als Sachbearbeiterin Veranlagung eingesetzt, danach begann ihre Tätigkeit als Betriebsprüferin.
Im Juni 2007 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die diesbezüglichen Bescheinigungen der Beklagten vom 31.08.2006 und 13.06.2007 zur Vorlage bei der Zulassungsstelle zur Steuerberaterprüfung, ihr eine verbindliche Auskunft gemäß § 38a StBerG hinsichtlich der Voraus...