Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft und Vorsteuerabzug einer Muttergesellschaft bei Leistungserbringung an Tochtergesellschaften im Wege der Dienstleistungskommission. Wechsel des Leistungsempfängers zwischen erster und letzter Leistungshandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt eine Muttergesellschaft ihren Tochtergesellschaften Dienstleistungen zur Verfügung, welche sie ihrerseits bei Dritten einkauft, erbringt die Muttergesellschaft Leistungen an ihre Tochtergesellschaften im Wege der Dienstleistungskommission unabhängig davon, ob sie die Aufwendungen für die Drittleistungen um einen Gemeinkostenzuschlag, Gewinnaufschlag o. ä. erhöht.

2. Die bloße Übernahme der Kosten einer Leistung an einen Dritten führt nicht zum Recht auf Vorsteuerabzug des Zahlenden.

3. Für Zwecke der Bestimmung des Leistungsempfängers im umsatzsteuerlichen Sinne kommt eine Rückwirkung grundsätzlich nicht in Betracht.

4. Eine einheitliche Leistung an den späteren Leistungsempfänger kann auch dann angenommen werden, wenn zwischen der ersten und der letzten Leistungshandlung der Leistungsempfänger wechselt.

5. Eine Holdinggesellschaft, welche mit entgeltlichen Leistungen an ihre sämtlichen Tochtergesellschaften an deren Verwaltung teilnimmt, kann den Vorsteuerabzug aus sämtlichen Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Verwaltung der Tochtergesellschaften geltend machen.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 11

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.01.2024; Aktenzeichen XI B 13/22)

BFH (Urteil vom 12.02.2020; Aktenzeichen XI R 24/18)

 

Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 25.01.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.2015 wird dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer 2011 auf 2.554,20 EUR festgesetzt wird.

Der Umsatzsteuerbescheid 2012 vom 23.09.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.2015 wird dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer 2012 auf -100.532,48 EUR festgesetzt wird.

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.02.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.2015 wird der Beklagte verpflichtet, die Umsatzsteuer 2013 auf -4.010,21 EUR festzusetzen.

Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 12.11.2015 wird der Beklagten verpflichtet, die Umsatzsteuer 2014 auf -3.149,44 EUR festzusetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht geltend, sie sei in den Streitjahren 2011 bis 2014 umsatzsteuerliche Unternehmerin und zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, weil sie im Wege der Dienstleistungskommission an ihre Tochtergesellschaften Leistungen erbracht habe, die am Sitz der jeweiligen Leistungsempfängerinnen in Italien steuerbar seien. Der Beklagte geht demgegenüber von einer nicht steuerbaren bloßen Weiterberechnung eingekaufter Leistungen von der Klägerin an ihre Tochtergesellschaften aus. Zwischenzeitlich war auch streitig, ob die Klägerin eine Organgesellschaft war.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG, die zur Unternehmensgruppe der B. AG gehört. Die B.Gruppe hat sich auf geschlossene X…– Fond spezialisiert. Die Anlageobjekte der B. Gruppe befinden sich überwiegend in Spanien, Frankreich und Italien. Die Klägerin wurde 2011 gegründet (Anmeldung zum Handelsregister am …05.2011, Eintragung am …06.2011). Ihr satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Errichtung, die Verwaltung, die Nutzung, das Betreiben und die Verwertung von X…– Anlagen, insbesondere in Italien, sowie das Eingehen von Beteiligungen zu diesem Zweck. Ihre alleinige Kommanditistin war zunächst die C. GmbH & Co. KG, eine Fondsgesellschaft, deren Anteile dann jedoch nicht vertrieben worden sind. Ihre einzige Komplementärin war von Beginn an und ist noch immer die D. GmbH, deren Firma am 09.12.2011 in D. GmbH geändert wurde. Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH war zunächst die C. GmbH & Co. KG. Laut Handelsregisteranmeldung war deren Unternehmensgegenstand mit demjenigen der Klägerin identisch mit der Ausnahme, dass statt „insbesondere in Italien” dort „im Ausland” stand.

Mit Verträgen vom 13.09.2011 erwarb die Klägerin jeweils 99,98 % der Kommanditanteile und alle Anteile an der jeweiligen Komplementärkapitalgesellschaft, die wiederum jeweils die übrigen 0,02 % der Kommanditanteile hielten, an drei im Jahr 2011 gegründeten Gesellschaften italienischen Rechts mit Sitz in Italien mit der Rechtsform S.r.l. & C. S.a.s., die der deutschen GmbH & Co. KG ähnelt. Es handelte sich um die E. S.r.l. & C. S.a.s., die F. S.r.l. & C. S.a.s. und die G. S.r.l. & C. S.a.s.. Die Kaufpreise beliefen sich für die...

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