rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines dem Arbeitnehmer überlassenen betrieblichen Fahrzeugs. VW-Bus mit ausgebauten Sitzen als PKW. Fahrtkostenerstattungen als Arbeitslohn
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein dem Arbeitnehmer überlassenes betriebliches Fahrzeug als LKW anzusehen ist und deshalb der allgemeine Erfahrungssatz, dass es auch für private Zwecke genutzt wird, nicht zur Anwendung kommt, richtet sich nicht nach der kraftfahrzeugsteuerlichen Einstufung des Fahrzeugs, sondern danach, ob es nach seiner objektiven Beschaffenheit zur Beförderung von Gütern bestimmt ist.
2. Ein rundum verglaster VW-Bus „Caravelle” ist auch dann nicht in diesem Sinne zur Güterbeförderung bestimmt, wenn zwar die Sitze mit Ausnahme des Fahrersitzes ausgebaut wurden, diese jedoch wieder eingebaut werden können, die Sicherheitsgurte noch vorhanden sind, sich zwischen Fahrerplatz und Laderaum keine Abtrennung befindet und die Seitenfenster nicht verblecht worden sind, so dass eine Umgestaltung des Fahrzeugs zum Personentransport – entsprechend der Herstellerkonzeption – jederzeit ohne besonderen Aufwand möglich ist.
3. Fahrtkostenerstattungen des Arbeitgebers für Fahrten des Arbeitnehmers mit seinem privaten PKW zu seiner regelmäßigen Arbeitsstätte sind steuerpflichtiger Arbeitslohn, der für Besteuerungszwecke um die als Werbungskosten abzugsfähige Kilometerpauschale zu kürzen ist.
Normenkette
EStG 1997 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4
Tenor
Abweichend von den Bescheiden vom 16.03.2004 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 08.09.2004 (Veranlagungsjahre 2000 und 2001) sowie abweichend von dem Bescheid vom 23.05.2006 (Veranlagungsjahr 1999) werden die Einkommensteuern für die Jahre 1999-2001 unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Werbungskostenpauschale, für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, für die Reisekostenersatz gewährt wurde, festgesetzt.
Die Berechnung der Steuern wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu 9/10, dem Beklagten zu 1/10 auferlegt.
Die Kostenentscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung der Bevollmächtigten im Verwaltungsvorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Der Kläger war in den Streitjahren nicht verheiratet und kinderlos. Er war tätig als Alleingesellschafter-Geschäftsführer der …GmbH (im folgenden: GmbH), die in L. ihren Firmensitz und in B. ein Auslieferungslager unterhielt. Gemäß § 6 des Geschäftsführervertrages vom 12.12.1994 wurde dem Kläger für seine Tätigkeit ein Firmenwagen zur Verfügung gestellt, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden konnte; die anteiligen Kosten für die private Nutzung waren der GmbH zu erstatten.
Aus dem Bericht vom 31.05.1999 über eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH für die Jahre 1995 bis 1998 geht unter Tz. 3 hervor, dass dem Kläger ab dem 01.01.1995 ein Pkw VW Variant (Listenneupreis: 47.825,– DM) und ab dem 01.04.1996 für den weiteren Prüfungszeitraum ein Pkw Audi (…; Listenneupreis: 58.183,– DM) von der GmbH zur Privatnutzung überlassen worden war.
Im Rahmen einer bei der GmbH im Jahr 2003 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung berücksichtigte das Finanzamt laut dem Bericht vom 03.12.2003 für die Monate Januar bis April 1999 weiterhin den Sachbezug für die Überlassung des Pkw Audi in Höhe von monatlich 581,– DM abzüglich einer diesbezüglich erfolgten Einzahlung des Klägers an die GmbH in Höhe von insgesamt 2.006,– DM. Des weiteren stellte das Finanzamt fest, dass dem Kläger ab Mai 1999 ein VW Caravelle, Baujahr 1996, Listenneupreis: 52.300,– DM, der als Pkw zugelassen war, auch zur privaten Nutzung und für Fahrten zu den Arbeitsstätten zur Verfügung gestanden habe. Der Nachweis einer fehlenden privaten Nutzung, insbesondere durch Führen eines Fahrtenbuches, sei nicht erfolgt. Als Sachbezug seien monatlich 523,– DM nach der 1%-Regelung sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach L. (2 km) 31,38 DM sowie nach B. (56 km) 58,57 DM, insgesamt also 612,95 DM anzusetzen. Zu berücksichtigen seien insoweit für 1999 (Mai bis Dezember) 4903,60 DM, für 2000 und 2001 jeweils 7.355,40 DM sowie 3.760,80 EUR für 2002. Darüber hinaus stellte die Außenprüfung fest, die GmbH habe dem Kläger Kilometergelder für die Nutzung seines Privat-Pkw steuerfrei erstattet. In den vorgelegten Aufzeichnungen seien direkte Fahrten zu dem in B. gelegenen Lager enthalten, in dem der Kläger nahezu täglich gewesen sei. Letzterer habe in diesem Lager eine weitere regelmäßige Arbeitsstätte gemäß R37 Abs. 2 LStR begründet. Fahrtkostenerstattungen zwischen Wohnort und regelmäßiger Arbeitsstätte seien nicht steuerfrei gemäß § 3 Nr. 16 des Einkommensteuergesetzes ...