rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verwirkung des Steueranspruchs durch eine nach Einlegung eines Einspruchs und Gewährung von Aussetzung der Vollziehung telefonisch von einem nicht zeichnungsberechtigten Bearbeiter des Finanzamts gegebene Auskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Steueranspruch wird weder alleine dadurch verwirkt, dass die Finanzbehörde lange untätig geblieben ist, noch durch eine langjährige Gewährung der Aussetzung der Vollziehung. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben einem sogenannten Zeitmoment vielmehr auch das sog. Umstandsmoment voraus, also ein bestimmtes Verhalten des Berechtigten, aus dem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Zudem muss der Steuerpflichtige im Vertrauen auf das Verhalten der Behörde Maßnahmen ergriffen oder unterlassen haben, die er nicht ergriffen oder unterlassen hätte, wenn er mit der Geltendmachung der Steuer gerechnet hätte.

2. Auch wenn nach der Einlegung von Einsprüchen gegen geänderte Steuerbescheide für zwei Steuerjahre ein Sachbearbeiter des Finanzamts gegenüber der Klägerin telefonisch erklärt haben sollte, diese Steuerjahre bedürften „keiner Erörterung mehr”, kann daraus kein Vertrauenssschutz der Klägerin hergeleitet werden, wenn der betreffende Sachbearbeiter nicht abschließend zeichnungsbefugt war, es sich also nicht um den Sachgebietsleiter oder den Amtsvorsteher gehandelt hat.

 

Normenkette

BGB § 242; AO § 119 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin legte gegen die am 01. Juni 1995 ergangenen Bescheide über Körperschaftsteuer 1993 sowie über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) Einspruch ein, der zurückgewiesen wurde. Dagegen erhob die Klägerin Klage vor dem seinerzeit zuständigen Finanzgericht Berlin. Das Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 06. März 2000 eingestellt; die Bescheide wurden bestandskräftig. Am 12. September 2000 wurde der Körperschaftsteuerbescheid 1994 dahingehend geändert, dass anstelle eines Verlustes ein positives Einkommen festgestellt wurde. Da der bisherige Verlust auf das Jahr 1993 zurückgetragen worden war, wurde in der Folge der Körperschaftsteuerbescheid 1993 gemäß § 10d Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG in der Weise geändert, dass kein Verlustrücktrag mehr durchgeführt wurde. Die Klägerin legte sowohl gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 1993 als auch gegen den für 1994 Einspruch ein. Aufgrund der Einsprüche wurde der Klägerin die Aussetzung der Vollziehung gewährt.

Am 29. November 2006 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung über die Einsprüche vom 20. September 2001, 19. Dezember 2001 und 19. Januar 2004 gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer 1994, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 1994, Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1994, Körperschaftsteuer 1995, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 1995, Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1995, Körperschaftsteuer 1996, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 1996, Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1996, Körperschaftsteuer 1997, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG auf den 31. Dezember 1997, Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1997 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1997. Den Einsprüchen wurde im Hinblick auf die Körperschaftsteuer 1995, 1996 und 1997 sowie die Gewerbesteuer 1995 und 1996 und den vortragsfähigen Gewerbeverlust für 1997 teilweise entsprochen, im Übrigen wurden sie als unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen heißt es: „Strittig ist die Anerkennung von Zuführungen zu einer Pensionsrückstellung für die Jahre 1994 bis 1995. … Die Pensionszusage wird für die Jahre von 1995 an in Höhe des angemessenen Teils anerkannt. … Für das Jahr 1994 kommt eine Berücksichtigung der Pensionsrückstellung jedoch nicht in Betracht, da eine Probezeit unabdingbar ist.”

Den Einspruch der Klägerin gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1993 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. März 2007 zurück. Mit Schreiben vom 14. Februar 2007 widerrief der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung. Gegen den Widerruf der Aussetzung der Vollziehung legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 26. März 2007 zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin macht geltend, dass die Ansprüche des Beklagten aus den Bescheiden für die Jahre 1993 und 1994 verwirkt seien. Ihrem, der Klägerin, Bevollmächtigten sei durch den Mitarbeiter des Beklagten, Herrn S, im August 2006 telefonisch signalisiert worden, da...

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