Entscheidungsstichwort (Thema)

Abnahme von Ortskundeprüfungen von angehenden Taxifahrern gegen Gebühr ist umsatzsteuerpflichtig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Abnahme von für die Zulassung als Taxifahrer erforderlichen Ortskundeprüfungen durch einen privatrechtlich organisierten Verein gegen eine staatlich festgelegte Gebühr erfolgt im Rahmen eines Leistungsaustauschs.

2. Die Leistung ist weder nach nationalem Umsatzsteuerrecht noch nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie umsatzsteuerfrei.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 21 Buchst. a, b, Nr. 22 Buchst. a, § 1 Abs. 1 Nr. 1; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i; FeV § 48 Abs. 2 Nr. 7

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2022; Aktenzeichen V R 32/21 (V R 31/17))

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung von Ortskundeprüfungen für angehende Taxifahrer, die von dem Kläger durchgeführt wurden. Dabei übernahm der Kläger lediglich die Ortskundeprüfungen, nicht aber die dieser Prüfung vorangehende Ausbildung.

Bei dem Kläger, der zwar den Begriff „Innung” im Namen führt, handelt es sich nicht um eine Persönlichkeit des öffentlichen Rechts, sondern um einen Berufsverband in der privatrechtlichen Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Als Berufsverband, der den Interessen seiner Mitglieder (Personen, die im Besitz einer Genehmigung zum Betreiben einer Taxe in Berlin sind, so § 2 der Satzung) dient, ist der Kläger zwar von der Körperschaftsteuer befreit. Eine Anerkennung als gemeinnützig ist nicht gegeben.

Die Zulassung von Taxifahrern zur Personenbeförderung ist nach § 48 Abs. 2 Nr. 7 der bundesrechtlichen Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV –) von einer Ortskundeprüfung abhängig. Vormals wurde diese in Berlin vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten selbst abgenommen. Vor und im Streitjahr 2012 war nach den Ausführungsvorschriften zu § 48 FeV zur Durchführung der Ortskundeprüfung vom 07.04.2012 (Amtsblatt Berlin Nr. 20 vom 18.05.2012, Seite 762 ff.) sowie deren Vorgängervorschriften geregelt, dass ein Prüfungsausschuss bestehend aus Vertretern des Klägers, des B… e.V. und des D… e.V. für die Prüfungen verantwortlich war. Weiter war in den Ausführungsvorschriften geregelt, dass dem Bewerber für die Zulassung als Taxifahrer über das Ergebnis der Ortskundeprüfung eine Bestätigung zu erteilen war. Die Bestätigung hatte der Bewerber dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin – Fahrerlaubnisbehörde – vorzulegen, um von diesem die Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung erteilt bekommen zu können. Für den Fall des Nichtbestehens von Ortskundeprüfungen war in den Ausführungsvorschriften unter I.6. geregelt, dass dem Bewerber die Gründe mitzuteilen seien und dieser daraufhin einen Schlichtungsausschuss anrufen könne. Für die Durchführung der Ortskundeprüfungen war nach Abschnitt I.3 der Ausführungsvorschriften geregelt, dass Gebühren nach Gebühren-Nrn. 203 und 399 des öffentlich-rechtlichen Gebührentarifes zur Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr an die mit der Ortskundeprüfung betrauten Organisationen zu entrichten waren.

Soweit der Kläger für von ihm durchgeführte Ortskundeprüfungen von den Bewerbern Gebühren vereinnahmte, erteilte er dem jeweiligen Bewerber hierüber eine Quittung auf dem Formular über den Antrag zur Ortskundeprüfung. In der Quittung war keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Der Kläger schloss mit den anderen nach den Ausführungsvorschriften zur FeV für Ortskundeprüfungen zuständigen Organisationen eine Vereinbarung über die Aufteilung der empfangenen Gebühren, nach der jede Organisation einen in der Vereinbarung bestimmten Teil der vereinnahmten Gebühren zum Verbleib erhielt. Im Übrigen entrichtete er Aufwandsentschädigungen an seine bei den Ortskundeprüfungen anwesenden Vertreter. Hierüber wurden Abrechnungen – ebenfalls ohne Umsatzsteuer – erteilt.

In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärte der Kläger, wie auch für Jahre davor die Gelder, die an ihn von den Bewerbern für Ortskundeprüfungen entrichtet worden waren, als umsatzsteuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a Umsatzsteuergesetz –UStG–. Die Festsetzung erfolgte zunächst erklärungsgemäß, nachdem unter anderem eine Außenprüfung für das Jahr 2005 insoweit zu keinen Beanstandungen geführt hatte. Nach einer dann im Jahr 2014 für das Jahr 2012 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung versagte der Beklagte jedoch die Steuerbefreiung für das Streitjahr. Er behandelte die vom Kläger für die Ortskundeprüfungen vereinnahmten Gebühren nach Abzug der auf die anderen Organisationen anfallenden Anteile sowie der Aufwandsentschädigungen als steuerpflichtige Entgelte (unter Herausrechnung entsprechender Nettoumsätze), erhöhte andererseits durch Berücksichtigung der somit steuerpflichtig gewordenen Umsätze den Anteil der abziehbaren Vorsteuern. Dabei stellte der Beklagte darauf ab, dass nur eine de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?