rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage wegen der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung einer Wohnung. Rechtswidrigkeit der Sachpfändung bei Wohnungsdurchsuchung nach Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses. Wohnungsdurchsuchung ohne Vollstreckungsschuldner durch zwei Vollstreckungsbeamte
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 100 Abs. 1 S. 4 FGO die Feststellung begehrt, dass die Durchsuchung einer Wohnung dem Grunde nach rechtswidrig war, ist die Klage wegen fehlenden Rehabilitierungsinteresse unzulässig, nach dem die ordentlichen Gerichte die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung überprüft und dabei die Durchsuchungsanordnung aufgehoben haben.
2. Sachpfändungen, die im Rahmen von Durchsuchungen vorgenommen werden, für die später die Durchsuchungsanordnung – wegen formeller Mängel – aufgehoben wird, sind rechtswidrig.
3. Den Anforderungen an die Zuziehung von Zeugen bei der Durchsuchung des Wohngrundstücks des Vollstreckungsschuldners ohne dessen Anwesenheit gem. § 288 AO wird nicht genügt, wenn lediglich zwei Vollziehungsbeamte vor Ort sind und einer der Vollziehungsbeamten als Zeuge fungiert und der andere durch ein Kellerfenster in das Haus des Vollstreckungsschuldners einsteigt. Ein Vollziehungsbeamter ist kein Gemeinde- oder Polizeibeamter i. S. d. Vorschrift.
Normenkette
AO §§ 288, 287; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tenor
Es wird festgestellt, dass die am 24.11.2006 auf dem Grundstück des Klägers vorgenommene Durchsuchung in der Weise rechtswidrig vorgenommen wurde, dass der Beklagte entgegen § 288 der Abgabenordnung weder zwei Erwachsene noch einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zugezogen hat.
Es wird festgestellt, dass die am 24.11.2006 vorgenommene Pfändung der Versicherungspolice der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG Nr. 1 FL-2390963 rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 88 % dem Kläger und zu 12 % dem Beklagten auferlegt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 23.508,00 EUR festgesetzt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen.
Der Kläger war Geschäftsführer der B. GmbH. Über das Vermögen der GmbH wurde am 10.04.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihre steuerlichen Zahlungsverpflichtungen erfüllte die GmbH nicht mehr vollständig. Daher erließ der Beklagte am 09.11.2004 Haftungsbescheide betreffend Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Nebenleistungen über 16.013,06 EUR bzw. 1.157,10 EUR, gegen die der Kläger Einspruch einlegte. Die Haftungsbescheide enthalten jeweils die Aufforderung, den angegebenen Haftungsbetrag bis zum 10.12.2004 auf das Konto der Finanzkasse L. einzuzahlen. Die Einsprüche hatten nur in der Weise Erfolg, dass der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 die Haftungssumme für Lohnsteuer zuzüglich Nebenleistungen auf 1.061,69 EUR herabsetzte. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück, worauf der Kläger beim Finanzgericht – FG – des Landes Brandenburg unter dem Az. 3 K 1334/06 Klage erhob, über die schließlich am 17.08.2010 der 8. Senat des erkennenden Gerichts mündlich verhandelte. Als Ausfluss dieser Verhandlung wurden die Haftungssummen auf 4.747,27 EUR bzw. 703,61 EUR reduziert. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung beim FG wegen dieser Haftungsbescheide sind nicht ersichtlich.
Da der Kläger der Zahlungsaufforderung keine Folge leistete, erließ der Beklagte am 08.03.2005 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der … Sparkasse, die jedoch nicht zum Erfolg führte. Gleiches galt für eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der VR-Bank … e. G.
Am 14.09.2006 beantragte der Beklagte die Eintragung einer Sicherungshypothek auf einem Grundstück des Klägers in R., dem das Amtsgericht – AG – L. entsprach.
Am 08.09.2006 suchten zwei Vollziehungsbeamte des Beklagten das vom Kläger bewohnte Grundstück auf, forderten den Kläger erfolglos zur Zahlung auf und forderten ihn weiter auf, freiwillig die Durchsuchung der Wohnräume zu gestatten. Dies verweigerte der Kläger, ebenso die Unterschrift auf der entsprechenden Niederschrift, die ihm vorgelesen und zur Durchschrift vorgelegt wurde (vergleiche Bl. 16 ff. der Gerichtsakte).
Am 15.09.2006 beantragte der Beklagte beim AG L. eine richterliche Durchsuchungsanordnung für das Wohngrundstück des Klägers. Diesem Antrag entsprach das AG mit Beschluss vom 12.10.2006 15 M …/06, ohne im Rahmen des Beschlussverfahrens den Kläger angehört zu haben.
Mit diesem Durchsuchungsbeschluss begaben sich am 24.11.2006 vormittags zwei Vollziehungsbeamte wiederum zum Wohngrundstück des Klägers,...