Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerschuldnerschaft für Bauleistungen nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2007 unabhängig von in der Vergangenheits ausgeführten Umsätzen bereits bei Beginn der erstmaligen Bauaktivitäten und nicht erst ab der Vollendung des ersten Bauprojekts
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesetzgeber des UStG war unionsrechtlich berechtigt, die Anwendung des § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 UStG 2007 in § 13b Abs. 2 S. 2 UStG 2007 auf Bauleistungen zu beschränken, die an Leistungsempfänger erbracht werden, die ihrerseits Bauleistungen erbringen.
2. Ein Unternehmer erbringt auch dann „Bauleistungen” gegenüber seinem Auftraggeber, wenn er sich dafür der Dienste eines bzw. mehrerer Subunternehmer (und deren Subunternehmer) bedient.
3. Zur Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 S. 2 UStG führende Bauleistungen liegen ungeachtet dessen, dass im umsatzsteuerlichen Sinn die Bauleistung erst mit der Vollendung des Werks, d. h. mit der Übergabe und Abnahme, i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG ausgeführt ist, bereits dann vor, wenn der Unternehmer in der Vergangenheit noch keine Bauleistungen erbracht hat, sein unternehmerisches Wirken jedoch in der Gegenwart bereits über Vorbereitungshandlungen zur Erbringung von Bauleistungen hinausgegangen und in den zeitlich gestreckten Vorgang der Leistungserbringung eingetreten ist, wenn er also aktuell bereits Bauleistungen ausführt (gegen die frühere, für vor dem 1.1.2010 ausgeführte Umsätze geltende Auffassung der FinVerw. in Abschn. 182a Abs. 10 Satz 4 UStR 2005 bzw. Abschn. 182a Abs. 10 Satz 3 UStR 2008 sowie gegen die in Abschn. 182a Abs. 10 Satz 3 UStR 2005 bzw. nunmehr Abschn. 13b.3 Abs. 2 UStAE enthaltene 10-%-Grenze).
Normenkette
UStG 2007 § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2; EWGRL 388/77 Art. 27 Abs. 1; Entscheidung 2004/290/EG Art. 2 Nr. 1; UStR 2005 Abschn. 182a Abs. 10 Sätze 3-4; UStR 2008
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin im Streitjahr bereits der Einbehaltungs- und Abführungspflicht nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG 2007 unterlag.
Die Klägerin wurde am 23.08.2005 als sogenannte Vorratsgesellschaft gegründet. Am 21.10.2005 wurde ihr Gesellschaftszweck auf den Ankauf von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und deren wirtschaftliche Verwertung durch Vermietung oder Verkauf erweitert. Gesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr die damalige B. AG. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die für eine Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz – UStG – erforderliche wirtschaftliche Eingliederung zwischen der Klägerin und der B. AG im Streitjahr nicht vorlag.
In 2006 erzielte die Klägerin steuerfreie Umsätze aus der Vermietung mehrerer Grundstücke und der Veräußerung eines Grundstück in Höhe von insgesamt 522.577,– EUR.
Über den o.g. Geschäftszweck hinausgehend schloss die Klägerin am 29.06.2006 mit der C. GmbH einen Vertrag über Bauleistungen, nämlich über die schlüsselfertige Erstellung eines Supermarktes auf dem Grundstück D. Straße 141 in E. zum Preis von 1,3 Millionen EUR sowie über die Modernisierung des Altbaus auf dem Nachbargrundstück D. Straße 138/F… Straße 10 zum Preis von 600.000,– EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Vertragstexte (Blatt 45 ff., 62 ff. der Gerichtsakte – GA –) Bezug.
Mit der Durchführung der Baumaßnahmen beauftragte die Klägerin ihrerseits als Generalunternehmerin jeweils die Firma G. GmbH (vgl. Bl. 77 ff. GA). Wegen Unstimmigkeiten in der Abwicklung der Bauvorhaben wurden die Generalunternehmerverträge jedoch im Laufe des Jahres 2007 gekündigt. Über das Vermögen der G. GmbH wurde am 29.02.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Folge wurde die H. GmbH mit der Ausführung der Baumaßnahmen beauftragt.
Am 10.07.2006 stellte die G. GmbH der C. GmbH eine Rechnung über die Planungsund Baugenehmigungskosten des Objekts D. Straße 138 bis 141 zu einem Netto-Preis von 129.310,35 EUR unter Ausweis von 16 % Umsatzsteuer (20.689,66 EUR, zusammen 150.000,01 EUR, Bl. 156 GA). Weitere Rechnungen – nunmehr an die Klägerin – betrafen den Sanierungsvertrag vom 29.06.2006, nämlich die Rechnung vom 15.11.2006 über 25.862,07 EUR zzgl. 4.137,93 EUR Umsatzsteuer, zusammen 30.000,– EUR wegen des Beginns der Fensterfertigung (Bl. 99 GA), vom 15.11.2006 über 43.103,45 EUR zzgl. 6.896,55 EUR Umsatzsteuer, zusammen 50.000,– EUR wegen Abrissarbeiten an der Fassade (Bl. 101 GA) und vom 19.01.2007 über 33.613,44 EUR zzgl. 6.368,55 EUR Umsatzsteuer, zusammen 39.999,99 EUR u. a. wegen des Abrisses der Fassadenplatten (Bl. 98 R GA).
Die Klägerin ihrerseits richtete am 17.01.2007 zwei Abschlagsrechnungen an die C. GmbH, mit denen sie die beiden ersten Raten entsprechend dem Zahlungsplan für das Bauvorhaben „D. Straße 138, 141, 141a/F. Straße 10” (für bauvorbereitende Aufwendungen und Baubeginn sowie Fertigstellung Abriss und Entsorgung) in Höhe von jeweils 126.050,4...