Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung für an schulpflichtige Kinder an Schulen erbrachte Leistungen eines selbständigen Präventions- und Persönlichkeitstrainers (Nachfolgeentscheidung zu BFH, Urteil v. 15.12.2021, XI R 3/20)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die an schulpflichtige Kinder und Jugendliche an Schulen erbrachte Tätigkeit eines selbständigen Präventions- und Persönlichkeitstrainers ist nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, wenn der Kläger weder als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt wurde noch eine gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG entsprechende Bescheinigung vorgelegt hat. Auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG kommt nicht in Betracht, da die Leistungen nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen. Die Tätigkeit stellt auch keinen Schul- oder Hochschulunterricht im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL und Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL dar und ist auch nicht nach § 4 Nr. 23 UStG in der bis zum 31.12.2019 gültigen Fassung steuerfrei.

2. Der Präventions- und Persönlichkeitstrainer kann sich aber auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL für „die Erziehung von Kindern und Jugendlichen” berufen, wenn der Unterricht der geistigen und sittlichen Entwicklung der Kinder dient, zur Willens- und Charakterbildung beiträgt, auch über die bloße Wissensvermittlung hinausgehende soziale Kompetenzen und Wert vermittelt und wenn zudem die Vermittlung dieser Fähigkeiten Teil des gesetzlichen Erziehungsauftrags ist sowie auch im Lehrplan der Schulen verankert ist. Der Trainer kann auch als Einzelunternehmer als eine „andere Einrichtung … mit vergleichbarer Zielsetzung „ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL anerkannt werden.

 

Normenkette

UStG 2010 § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa, Buchst. a Doppelbuchst. bb, Buchst. b Doppelbuchst.a, Nr. 23; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, j

 

Tenor

Der Ablehnungsbescheid vom 29.03.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2017 wird für das Streitjahr 2010 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Umsatzsteuer für 2010 um 16,74 EUR niedriger auf 6.671,11 EUR festzusetzen.

Dem Kläger werden die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens im ersten Rechtsgang (einschließlich der Kosten des Vorverfahrens) und die Kosten des Verfahrens betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde auferlegt. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die Kosten des zweiten Rechtsgangs werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Präventions- und Persönlichkeitstrainer im Streitjahr (2010) steuerfreie Umsätze ausgeführt hat.

Der Kläger ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer und Mitglied des Vereins „B… e. V.”. (…)

Außerdem lässt ein Ausdruck der Homepage erkennen, dass der Kläger als „Teamleiter” auftrat, und es wurden neun weitere, in seinem Team tätige Kursleiter für verschiedene Kursarten (Kinderbewegungsprogramm neben weiteren Sport- und Bewegungsangeboten eines Kooperationspartners, Präventionstrainings im Kindergarten, in der Grundschule und in weiterführenden Schulen, Persönlichkeitstrainings für Frauen und für ältere Leute, Erziehungsseminare für Eltern) vorgestellt.

Der Steuerberater des Klägers erklärte gegenüber dem Beklagten, der Kläger werde wohl von den jeweiligen interessierten Eltern beauftragt. Die Rechnungen erstelle der Kläger dann wohl gegenüber den jeweiligen Eltern, die ihn dann bezahlen würden. Er selbst erklärte gegenüber dem FA, dass die Abrechnung ggf. direkt mit den Eltern erfolge, ansonsten über die Schule. Sofern die Eltern die „Gebühr” beglichen, erfolge dies gegen einen Zahlungsbeleg bzw. per Überweisung. Auch aus einer in den Akten befindlichen Borschüre geht hervor, dass die Eltern die Kursgebühr direkt überweisen (gesonderte Heftung UStA).

Der Kläger reichte für das Streitjahr am 04.01.2011 eine Umsatzsteuererklärung ein. Darin erklärte er Leistungen zu 19 % in Höhe von 49.013,00 EUR und zu 7 % in Höhe von 239 EUR sowie Vorsteuern in Höhe von 2.641,35 EUR, so dass 6.687,85 EUR an Umsatzsteuer 2010 erklärt wurden. Auf dem Erlöskonto mit 7 % Umsatzsteuer sind fälschlicherweise vier Kursgebühren in Höhe von 59,81 EUR gebucht worden (06.04., Beleg-Nr. 30-4, Buchungstext: C…; 06.04., Beleg-Nr. 30-4, Buchungstext: D…; 06.04., Beleg-Nr. 30-5, Buchungstext: E…; 06.04., Beleg-Nr. 30-5, Buchungstext: D…) und 1 × 110,28 EUR, insgesamt 349,25 EUR, nach Saldierungen um eine Erstattung von 110,28 EUR, mithin 239,24 EUR). Der in Großbuchstaben geschriebene Buchungstext deutet auf die Schule hin, an der der Kurs stattgefunden hat: Grundschule D…, E… Grundschule, C… ...

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