rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Billigkeitserlass zurückgeforderten Kindergeldes, das zuvor bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II von der Jobagentur mindernd berücksichtigt worden ist
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat ein Kindergeldanspruchsberechtigter im Zeitraum des Kindergeldbezuges Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (im Streitfall: Arbeitslosengeld II) unter Anrechnung des Kindergeldes erhalten und ist nach der mit einer Kindergeldrückforderung verbundenen rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldfestsetzung keine nachträgliche Anpassung der Sozialleistungen nach dem SGB II erfolgt, so kommt nur dann ein Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nach § 227 AO hinsichtlich der Kindergeldrückforderung in Betracht, wenn die Überzahlung des Kindergeldes nicht auf einer Verletzung der Mitwirkungspflichten des Berechtigten nach § 68 EStG beruht (Anschluss an Urteile des FG Münster v. 2.1.2017, 7 K 2829/15 Kg, AO; des FG Düsseldorf v. 7.4.2016, 16 K 377/16 AO; und des FG Bremen v. 28.8.2014, 3 K 9/14 (1)).
2. Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgesichtspunkten kommt dann nicht in Betracht, wenn einerseits die in der sofortigen Einziehung des Rückforderungsbetrags liegende Härte durch eine Bewilligung von Raten oder sonstigen Erleichterungen beseitigt werden kann oder andererseits der Betroffene in wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, die im Hinblick auf die Regelungen über den Vollstreckungsschutz (z. B. gesetzlicher Pfändungsschutz oder behördliche Vollstreckungsschutzmaßnahmen) eine Durchsetzung der infrage stehenden Ansprüche ausschließen. Sofern der Schuldner aufgrund seiner gegenwärtigen Einkommensverhältnisse außerstande ist, die Rückforderung zu begleichen, wäre ein Erlass nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil für ihn verbunden, weil die Ansprüche ohnehin nicht durchgesetzt werden könnten.
Normenkette
AO §§ 227, 5; FGO § 102; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 68 Abs. 1, § 70 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Ablehnung des Erlasses einer Kindergeldrückforderung i.H.v. 1.104 EUR.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 (Bl. 2 „eAkte INKASSO”) stellte die Klägerin einen Antrag auf Billigkeitserlass hinsichtlich der Kindergeldrückforderung nach § 227 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) gemäß Bescheid vom 29. April 2015. Zur Begründung trug sie vor, das Arbeitslosengeld II sei von der Jobagentur aufgrund des bezogenen Kindergeldes unwiderruflich gekürzt worden. Sie habe nicht gewusst, dass sich ihr Sohn bei der Berufsberatung abgemeldet habe. Ohne Billigkeitsmaßnahme sei ihre wirtschaftliche und persönliche Existenz ernstlich gefährdet. Sie befinde sich außerdem in Existenzgründung und der notwendige Lebensunterhalt könne vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden.
Mit dem genannten Bescheid vom 29. April 2015 hatte die Familienkasse B… die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind der Klägerin C…, geboren am 18. Juni 1994, für den Zeitraum von Oktober 2013 bis einschließlich April 2014 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgehoben, weil das Kind nach den Daten der für die Arbeitsvermittlung zuständigen Stelle dort nicht bzw. nicht mehr als arbeitsuchendes Kind und auch nicht als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt worden sei; das für den genannten Zeitraum überzahlte Kindergeld i.H.v. 1.288 EUR wurde zurückgefordert.
Mit undatiertem Bescheid (Bl. 34 „eAkte INKASSO”; laut Einspruchsentscheidung datierend vom 21. Dezember 2015) lehnte die Beklagte den Erlassantrag bezüglich einer Teilforderung von 1.104 EUR ab, die Teilforderung von 184 EUR wurde aufgrund sachlicher Unbilligkeit erlassen.
Zur Begründung führte sie aus, bei einer Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Erlass aufgrund sachlicher Unbilligkeit sei auch das Verhalten des Kindergeldberechtigten abzuwägen. Nach den vorliegenden Erkenntnissen beruhe die entstandene Überzahlung auf einer Verletzung der Mitteilungspflichten der Klägerin, weshalb der Erlass bezüglich der Teilforderung von 1.104 EUR nicht in Betracht komme.
Hinsichtlich der Teilforderung von 184 EUR werde der Erlass nur deshalb gewährt, weil die Überzahlung für den ersten Monat – auch bei rechtzeitiger Mitwirkung – nicht vermeidbar gewesen sei.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2016 (Eingang ausweislich des Faxaufdrucks am 4. Februar 2016) legte die Klägerin Einspruch ein. Sie führte aus, sie habe im Rückforderungszeitraum Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) erhalten. Das Kindergeld sei in voller Höhe mit ihrem Leistungsanspruch verrechnet worden. Die entsprechenden Bescheide und die Mitteilung, dass diese nicht geändert worden seien, lägen der Beklagten vor. Daher stelle die Rückforderung durch die Familienkasse eine unbillige Härte dar. Dem nachträglichen Wegfall des Anspruchs auf Kinde...