rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld. Fähigkeit eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt. Berücksichtigung nachgezahlter Grundsicherungsbeiträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhält ein behindertes Kind in zwei Monaten Grundsicherungsnachzahlungen, nach dem sich die Mutter erfolgreich gegen die Anrechung von Kindergeld bei der Berechnung der Höhe der Grundsicherung gewandt hatte, ist es nicht gerechtfertigt, aufgrund der erfolgten Nachzahlungen von der Fähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, auszugehen und die Kindergeldfestsetzung für diese Monate aufgrund nachträglich eintretender wesentlicher Änderungen nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben.
2. Die Berechnung, ob das Kind gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, hat nach dem Monatsprinzip zu erfolgen. Die Jahresgrenzbetragsregelung nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ist nicht anzuwenden.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, §§ 33b, 11 Abs. 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1-2, § 70 Abs. 2, § 32 Abs. 4 S. 2; SGB XII § 43 Abs. 2, § 41; BGB § 1601 ff.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 12. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2007 wird aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin für die Monate September und Oktober 2005 Anspruch auf Kindergeld hat.
Die Klägerin ist die Mutter des Kindes B, geboren am X.X.1983, für welches sie laufend Kindergeld bezog. B ist voll erwerbsgemindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen H, G, B sowie RF. Aus der beigezogenen Kindergeldakte ergibt sich weiter, dass B in die Pflegestufe 3 eingestuft und die Klägerin als seine Betreuerin für die Bereiche Gesundheitsvorsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Vertretung vor Behörden und Institutionen bestellt ist.
Unter dem 26. September 2005 erließ der Sozialhilfeträger einen an die Klägerin gerichteten Bescheid über Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII – für den Bewilligungszeitraum Juli 2005 bis Juni 2006. In diesem ist weiter ausgeführt, dass die Klägerin die Nachzahlung der Grundsicherung für den Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2005, nämlich für 30 Monate je 154 EUR, insgesamt 4.620 EUR, erhalte. Gleichzeitig berechnete der Sozialhilfeträger die Leistungen für B nach dem SGB XII neu mit 528,27 EUR monatlich.
Bereits zuvor hatte der Sozialhilfeträger unter dem 24. August 2005 einen an die Klägerin gerichteten Bescheid über Leistungen nach dem SGB XII ebenfalls für den Bewilligungszeitraum Juli 2005 bis Juni 2006 erlassen. Ausweislich dieses Bescheides erfolgte eine Nachzahlung für die Monate Juli und August 2005 in Höhe von jeweils 154 EUR Grundsicherung, insgesamt 308 EUR.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für B für die Monate September und Oktober 2005 auf, weil B im August 2005 eine Nachzahlung der Grundsicherung in Höhe von 308 EUR und im September 2005 in Höhe von 4.620 EUR erhalten habe. Diese Nachzahlungen seien im Monat nach ihrem Zufluss bei dem Vergleich zwischen den kindeseigenen Mitteln und dem gesamten Lebensbedarf von B anzurechnen. Der gesamte Lebensbedarf von B liege in den Streitmonaten bei 1.915,95 EUR je Monat. Die kindeseigenen Mittel betrügen in den Streitmonaten 2.175,47 EUR und 6.532,61 EUR.
Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. In ihrer Begründung macht sie geltend, die geleisteten Nachzahlungen hätten ihren Ursprung in vorangegangenen Klage- sowie diversen Widerspruchsverfahren, in denen sie sich erfolgreich gegen die Anrechnung von Kindergeld bei der Berechnung der Höhe der Grundsicherung gewandt habe. Wertungsmäßig flössen die Nachzahlungen nicht B zu, sondern ihr, da sie Kindergeldanspruchsberechtigte im Sinne von § 62 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – sei. Zudem diene das Kindergeld im Rahmen des Familieneinkommens dem Bestreiten der Ausgaben für den Lebensunterhalt der Haushaltsgemeinschaft.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2007 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Bei der Beurteilung der Frage, ob B trotz seiner Behinderung in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, seien auch die Leistungen der Grundsicherung zu berücksichtigen. Diese Leistungen könnten jedoch nur insoweit in den Vergleich zwischen Lebensbedarf und den zur Verfügung stehenden Mitteln einbezogen werden, wie sie auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Dies richte sich nach dem Zuflussprinzip. Da die Nachzahlungen Ende August und Ende September 2005 erfolgt seien, seien s...