rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers bei Einbehaltung der Lohnsteuer für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer ohne Bescheinigungen nach § 39 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 EStG nach Steuerklasse I

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für beschränkt einkommensteuerpflichtige Werkvertragsarbeitnehmer für Lohnzahlungszeiträume bis 2011 nach Steuerklasse I einbehalten, obwohl keine Bescheinigungen nach § 39 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 EStG zu deren Lohnkonto genommen wurden, haftet er für die Differenz zwischen Lohnsteuerklasse I und VI.

2. Die Haftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG hat Schadensersatz- und keinen Strafcharakter. Dementsprechend darf eine Haftungsinanspruchnahme nur für die gesetzlich entstandene Lohnsteuer erfolgen.

 

Normenkette

EStG § 42d Abs. 1 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, § 39d Abs. 1, 3, § 38b S. 2 Nr. 6; AO §§ 5, 191 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung polnischen Rechts, die als Werkvertragsunternehmen auf dem Gebiet der Bauwirtschaft tätig ist. Im hier maßgebenden Zeitraum von 2007 bis 2011 erbrachte die Klägerin aufgrund von Werkverträgen für deutsche Auftraggeber in Deutschland Bauleistungen. Hierbei setzte sie eine Vielzahl eigener polnischer Arbeitnehmer ein, die teils der beschränkten und teils der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterlagen.

Die Klägerin unterhielt (zwischen den Beteiligten unstrittig) im Inland eine Betriebsstätte im Sinne von Artikel 5 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen Deutschland und Polen in der für den Streitfall maßgebenden Fassung.

Im Rahmen einer bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin (fortan Klägerin) durch das vom Beklagten mit der Prüfung beauftragte Finanzamt (FA) B… durchgeführten LohnsteuerAußenprüfung betreffend den Zeitraum vom 01.01.2007 vom 30.09.2011 – deren Ergebnisse im Lohnsteuer-Außenprüfungsbericht vom 16.03.2012 zusammengefasst sind und auf den der Senat wegen des weiteren Inhalts ergänzend Bezug nimmt (Bl. 68 LStAp-Akte) – stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die Lohnsteuer für eine Reihe der von ihr in Deutschland eingesetzten polnischen Werkvertragsarbeitnehmer nach Steuerklasse I berechnete (siehe Anlage 2 zum Bericht), obgleich sie dem für sie örtlich nach Maßgabe des § 20a Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) zuständigen Finanzamt C… keine Bescheinigungen gemäß § 39d Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG alte Fassung) vorgelegt bzw. keine solche Bescheinigung zum Lohnkonto der betreffenden Arbeitnehmer genommen hatte.

Hierauf nahm der Prüfer eine Nachversteuerung vor, indem er die Lohnsteuer nicht mehr nach der Lohnsteuerklasse I (§ 39d Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern gemäß § 39d Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG nach der Lohnsteuerklasse VI berechnete (siehe § 38b Satz 2 Nr. 6 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1Nr. 4 Buchst. a) EStG betreffend beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer).

Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 28.03.2012 gegenüber der Klägerin wegen der zuwenig einbehaltenen Lohnsteuer einen auf § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG gestützten Haftungsbescheid über zunächst noch 91.010 EUR nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. 5.050 EUR und römisch-katholische Kirchensteuer i.H.v. 5.241,77 EUR, auf den wegen des weiteren Inhalts ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 109 f LSt-Akten/Bd. II).

Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass der Beklagte die Löhne für ihre beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer zu Unrecht in die Steuerklasse VI eingereiht habe. Zur Begründung führte sie aus, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn bezögen, nach §§ 39d Abs. 1 Satz 2, 38b Satz 2 Nr. 6 EStG, die Steuerklasse VI lediglich für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer aus dem zweiten und jedem weiteren Arbeitsverhältnis gelte. Eine solche Konstellation sei nicht gegeben, weil keiner ihrer in Deutschland eingesetzten Werkvertragsarbeiter in Deutschland in einem weiteren Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

Bedeutsam sei zudem, dass die Steuerklasse VI deshalb zur Anwendung gelange, weil damit sichergestellt werden solle, dass alle Einkünfte, die ein Arbeitnehmer erziele, in zutreffender Höhe besteuert werden. Dies betreffe insbesondere den Fall, dass ein Arbeitnehmer in mehreren Beschäftigungsverhältnissen stehe. Die Besorgnis von Steuerausfällen durch Anwendung der Steuerklasse I bei Nichtvorliegen einer Lohnsteuerkarte bzw. Steuerbescheinigung bestehe in Konstellationen der vorliegenden Art nicht, weil alle polnischen Unternehmen und polnischen Arbeitnehmer zentral beim Beklagten bzw. beim FA D… geführt werden. Im Rahmen der elektronischen Datenübermittlung der Lohnsteuerbescheinigungen nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (StDÜV) und durch den Abgleich der elektronischen Transfer-Identi...

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