rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestens 10%ige Zeitersparnis als Voraussetzung für offensichtlich verkehrsgünstigere Verkehrsverbindung. kein pauschaler Werbungskostenabzug eines Wirtschaftsprüfers für Arbeitsmittel, Werbungskosten sowie Bezug der FAZ. kein Betriebsausgabenabzug für 3 Räume in der Wohnung bei nur geringfügiger betrieblicher Tätigkeit. Gartenarbeiten im Jahr vor und nach Fertigstellung der Wohnung keine steuerbegünstigten Handwerkerleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Ermittlung der Entfernungspauschale ist eine vom Arbeitnehmer benutzte Straßenverbindung nicht als offensichtlich verkehrsgünstiger i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG a.F. als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen, wenn sie nicht zu einer mindestens 10%igen Zeitersparnis oder anderweitigen Vorteilen im Vergleich zur kürzesten Strecke führt.
2. Ein nichtselbstständig tätiger Wirtschaftsprüfer kann ohne näheren Nachweis nicht pauschal Werbungskosten für sonstige Arbeitsmittel oder Telefonkosten abziehen. Dem Werbungskostenabzug für den Bezug der FAZ steht § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegen.
3. Der Betriebsausgabenabzug für weitere neben dem Arbeitszimmer in der Wohnung betrieblich genutzte Räume (z. B. für Lagerzwecke) kommt nicht in Betracht, wenn angesichts einer nur geringfügigen, ohne Angestellte ausgeübten betrieblichen Tätigkeit der Steuerpflichtigen und der Möglichkeit der privaten Mitnutzung durch Familienmitglieder eine nahezu ausschließlich betriebliche Nutzung dieser Räume nicht glaubhaft erscheint und auch nicht nicht näher nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht wird (im Streitfall: Betriebsausgabenabzug für Arbeitszimmer, nicht aber für 2 weitere Räumlichkeiten).
4. Gartenarbeiten (Baumfällarbeiten, Grünschnitträumung, Wurzelstockentsorgung, Gartenanlage usw.) im Rahmen einer Neubaumaßnahme, die teils bereits vor der Fertigstellung der Wohnung, teils nach Bezug der Wohnung angefallen sind, sind keine nach § 35a Abs. 3 EStG begünstigten Handwerkerleistungen. Das gilt auch für im Jahr nach der Fertigstellung der Wohnung anfallende Garten- und Landschaftsbauarbeiten, wenn nach der Bezugsfertigkeit der Wohnung noch Außenarbeiten wie die Errichtung einer Terrasse sowie von Stufen und Treppen anfallen und die Gartenarbeiten somit in einem engen sachlichen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes stehen.
5. Zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung müssen Handwerkerleistungen tatsächlich erbracht worden sein, und die Zahlungen des Steuerpflichtigen müssen auch bestimmten, tatsächlich ausgeführten Handwerkerleistungen zuzuordnen sein. Eine von einem Handwerksbetrieb an den bisherigen Vermieter adressierte Rechnung, aus der nicht hervorgeht, dass Arbeiten bereits ausgeführt worden wären und die auch keine Zahlungsaufforderung enthält, berechtigt daher nicht zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung.
Normenkette
EStG 2011 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4, S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2, § 4 Abs. 4, § 35a Abs. 3, 5 S. 3; AO § 162 Abs. 1
Tenor
Die Einkommensteuer 2011 wird unter Änderung des Bescheides vom 07.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2015 dahingehend neu festgesetzt, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin um 235,57 EUR verringert werden.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – dem Beklagten übertragen.
Die Einkommensteuer 2012 wird unter Änderung des Bescheides vom 12.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.06.2015 dahingehend neu festgesetzt, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin um 537,83 EUR verringert werden. Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung einer Vielzahl von Einzelsachverhalten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 2011 und 2012.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
1. Streitjahr 2011
a) Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
Der Kläger ist nichtselbständig als Wirtschaftsprüfer bei der Firma C… tätig.
aa) Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Streitig ist die anzusetzende Entfernung bei den als Werbungskosten des Ehemannes bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehenden Entfernungspauschalen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
In der Anlage N zur Einkommensteuererklärung 2011 für den Kläger (Bd. III Bl. 5 der Einkommensteuerakte – ESt –) erklärten die Kläger als Werbungskosten Entfernungspauschalen für Fahrten mit einem eigenen Pkw an 184 Tagen mit einer einfachen Entfernung von 26 km. Das Büro des Klägers befindet sich in der D…-Str. in E…. Die Kläger bewohnten bis zum 31.08.2011 (vgl. Ista-Abrechnung im Beleghefter für 2011; Schriftsatz der Kläger vom 18.03.2017, Bl. 121 der GA) eine Mietwohnung in der F…-Str. in E…. Danach zogen sie in ein in ihrem Eigentum stehen...