Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf die Möglichkeit zur Klageerhebung durch elektronisches Dokument. Wiedereinsetzung bei Klageerhebung per einfacher E-Mail
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Vorschrift zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten (§ 52a FGO) genügt, um den Rechtsuchenden in die Lage zu versetzen, sich bei der Wahl dieser Übermittlungsform nähere Informationen zu verschaffen.
2. Der Irrtum des Klägers, dass eine Klageerhebung als E-Mail ohne Verwendung einer elektronischen Signatur bzw. ohne Einhaltung des sicheren Übermittlungsweges wirksam erhoben werden konnte, war vermeidbar und ist ihm als fahrlässiges Verhalten anzulasten, das einer Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist entgegensteht.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1, § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1-2, § 52a
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung sowie darum, ob der Beklagte die Kindergeldgewährung für den Sohn des Klägers für Oktober 2016 bis Januar 2019 zu Recht aufgehoben hat und das überzahlte Kindergeld i.H.v. 5.396 EUR vom Kläger zurückfordern durfte.
Der Kläger – der von Beruf Polizeibeamter (Polizeioberkommissar) ist – erhielt im Streitzeitraum von Oktober 2016 bis Januar 2019 für seinen am 17.01.1994 geborenen Sohn B… Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Im Streitzeitraum war B… im Studiengang Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie an der Europäischen Fernhochschule C… (kurz EURO-FH) als Studierender immatrikuliert. Mit Wirkung zum 04.01.2019 wurde B… ohne Abschluss vorzeitig exmatrikuliert. Die Familienkasse (fortan Beklagter) hob die Kindergeldgewährung mit Bescheid vom 24.01.2019 ab dem 01.02.2019 auf. Zugleich forderte der Beklagte den Kläger auf, für den zurückliegenden Zeitraum Leistungsnachweise des Sohnes vorzulegen, um die Ernsthaftigkeit des Fernstudiums feststellen zu können. Hierauf ging dem Beklagten am 07.03.2019 eine Bescheinigung der EURO-FH vom 28.02.2019 über die Benotung einer Hausarbeit zu. Weitere Unterlagen legte der Kläger nicht vor. Der Beklagte sah die Voraussetzungen für ein ernsthaft betriebenes Fernstudium nicht für erfüllt an und hob die Kindergeldfestsetzungen für Oktober 2016 bis Januar 2019 mit Bescheid vom 15.04.2019 gleichfalls auf und forderte das zu viel ausgezahlte Kindergeld vom Kläger nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos und wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 22.08.2019 als unbegründet zurückgewiesen. In der Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 17 Heftung, Bl. 4 Gerichtsakte) wies der Beklagte darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären sei. Die Frist für die Einlegung der Klage betrage einen Monat. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Voraussetzung zur elektronischen Einreichung der Klage in § 52 a der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelt sei und Näheres über die Internetseite des Finanzgerichts in Erfahrung zu bringen sei.
Ausweislich der in der Kindergeldheftung des Beklagten abgelegten Postzustellungsurkunde wurde die Sendung mit der Einspruchsentscheidung am Montag, dem 26.08.2019 in den zur Privatwohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt. In der Sache führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung aus, die Voraussetzungen für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des überzahlten Kindergeldes seien gegeben. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass B… im Streitzeitraum seinem Fernstudium ernsthaft und nachhaltig nachgegangen war. Die für die Kindergeldbewilligung erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a) des Einkommensteuergesetzes (EStG) könnten nicht angenommen werden.
Am Donnerstag, dem 28.11.2019 ging beim Finanzgericht als Telefax ein Klageschriftsatz mit Datum vom selben Tag ein, mit dem der Kläger sich gegen die Entscheidung des Beklagten wandte. Gleichzeitig beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Klageschrift vom 28.11.2019 war in der Anlage u.a. ein handschriftlich unterzeichnetes Schreiben mit Datum vom 26.09.2019 beigefügt, mit dem der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung Klage einreichte. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führte der seinerzeit noch nicht fachkundig vertretene Kläger aus, dass er dem Finanzgericht am 26.09.2019 eine einfache (also nicht mit einer elektronischen Signatur versehene) E-Mail an die in dessen Internetseite genannte DE-Mail-Adresse übermittelt habe. In der Anlage seiner E-Mail habe er dem Gericht neben der Klageschrift vom 26.09.2019 weitere Unterlagen übermittelt. Er habe angenommen, die Klage sei von ihm in zulässiger Weise, insbesondere unter Wahrung von Form und Frist, erhoben wo...