rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Organgesellschaft als „Dritte” i. S. d. § 174 Abs. 5 AO bei Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft. Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage bei Zurückstellen der Einspruchsbearbeitung unter Hinweis auf ein ähnliches Einspruchsverfahren einer anderen Organgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist eine an der Organschaft beteiligte Organgesellschaft im Verhältnis zur Organträgerin „Dritte” i. S. d. § 174 Abs. 5 AO. Ist ein fehlerhafter Umsatzsteuerbescheid aufgrund eines Antrags des Organträgers diesem gegenüber geändert worden und müssten daraus eigentlich materiell-rechtliche Konsequenzen gegenüber der Organgesellschaft für ein vor der Begründung der Organschaft liegendes anderes Steuerjahr gezogen werden, kann der die Organgesellschaft betreffende bestandskräftige Umsatzsteuerbescheid gleichwohl nicht nach § 174 Abs. 5 i. V. m. § 174 Abs. 4 AO geändert werden, wenn die Organgesellschaft nicht förmlich zum Verfahren betreffend den fehlerhaften Umsatzsteuerbescheid des Organträgers hinzugezogen bzw. beigeladen worden ist.
2. Hat das FA ohne Mitteilung eines ausreichenden Grundes nach rund zwei Jahren immer noch nicht über den Einspruch des Organträgers gegen einen eine Organgesellschaft betreffenden Umsatzsteuerbescheid entschieden, kann zulässigerweise eine Untätigkeitsklage erhoben werden. Der Hinweis des FA auf ein „paralleles” Einspruchsverfahren betreffend eine andere Organgesellschaft ist jedenfalls dann keine ausreichende Begründung für eine über sechs Monate hinausgehende Bearbeitungsdauer des Einspruchs, wenn in dem vermeintlichen Parallelverfahren letztendlich zwar ähnliche, nicht aber parallele Rechtsfragen entscheidungserheblich waren.
Normenkette
AO § 174 Abs. 4 Sätze 1, 3, Abs. 5 Sätze 1-2; FGO § 46 Abs. 1 S. 2; UStG § 2 Abs. 2 Sätze 1-3
Nachgehend
Tenor
Der Umsatzsteuerbescheid 1992 vom 30. Mai 2005 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die zwecks Rückgängigmachung eines ungerechtfertigt in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs erfolgte, von ihr aus Gründen des Eintritts der Festsetzungsverjährung indes für ausgeschlossen gehaltene Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1992.
Die Klägerin ist eine KG. Laut Handelsregistereintrag vom 6. August 2007 ist auf die Klägerin u.a. eine G Hotel Grundstücks GmbH – folgend: G-G-GmbH – verschmolzen worden. Die Klägerin als Organträgerin bildet seit dem 1. Februar 1995 mit mehreren anderen Organgesellschaften, u.a. einer D-GmbH als Rechtsnachfolgerin einer G Hotel (Betriebs-) GmbH – fortan: G-B-GmbH – und der G-G-GmbH eine umsatzsteuerliche Organschaft.
Ende Dezember 1992 veräußerte die D-GmbH der G-G-GmbH ihre (Hotel-)Immobilie. Sie verzichtete hierbei auf die Umsatzsteuerfreiheit dieses Geschäfts und behandelte es stattdessen als umsatzsteuerpflichtig (§§ 9 Abs. 1, 4 Nr. 9 Buchstabe a) UStG). Dem entsprechend wies sie in der der G-G-GmbH unter dem 28. Dezember 1992 erteilten Rechnung gesondert Umsatzsteuer in Höhe von rund 4 Millionen DM aus.
Die G-G-GmbH ihrerseits zog diese Rechnung mit ihrer am 17. Juni 1994 eingereichten Umsatzsteuererklärung 1992 in entsprechender Höhe zum Vorsteuerabzug heran. Unter dem 30. September 1994 stimmte ihr das damals zuständige Finanzamt – FA – für Körperschaften II zu.
Eine bei der G-G-GmbH im Juli 1998 aufgenommene Außenprüfung betreffend die Umsatzsteuer 1992 führte zu keiner Änderung der von ihr erklärten Besteuerungsgrundlagen. Insofern erhielt die G-G-GmbH im November 2002 eine entsprechende Mitteilung auf der Grundlage von § 202 Abs. 1 Satz 3 AO.
Unter dem 23. Dezember 1997 trafen die D-GmbH und die G-G-GmbH eine Vereinbarung über den Widerruf des Verzichts auf die Umsatzsteuerfreiheit des Verkaufs des (Hotel-) Grundstücks. Dem entsprechend erteilte die D-GmbH der G-G-GmbH datierend vom selben Tage eine neue Rechnung ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis; die von der G-G-GmbH zuvor entrichtete Umsatzsteuer bezeichnete sie als Überzahlung. Im Januar 1998 veranlasste die D-GmbH eine entsprechende Erstattung an die G-G-GmbH.
Die Klägerin reichte ihre Umsatzsteuer-(jahres-)erklärung 1997 am 10. Dezember 1998 ein. Sie führte zu einer Zahllast und stand damit ihr gegenüber einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. In die Erklärung war eine Minderung der Vorsteuer eingegangen. Diese beruhte u.a. darauf, dass die Klägerin davon ausging, der am 23. Dezember 1997 erklärte Widerruf führe zu ein...