Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer
Nachgehend
Tenor
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. April 1998 wird abgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Streitwert beträgt 554 696,00 DM.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der in § 1 Abs. 2 a Grunderwerbsteuergesetz –GrEStG– genannte Fünfjahreszeitraum nach § 23 Abs. 3 GrEStG erst in 1997 beginnt – so die Klägerin – oder bereits Übertragungen von Gesellschaftsanteilen erfaßt, die vor dem 31. Dezember 1996 stattgefunden haben, wie der Beklagte meint.
Die Klägerin erwarb mit Vertrag vom 5. Dezember 1995 eine Teilfläche eines in der … belegenen Grundstücks mit einer Größe von 2735 m².
Der Gesellschaftszweck der Klägerin besteht in der Errichtung und Nutzung von Gebäuden durch Vermietung und Verpachtung auf diesem Grundstück.
Das Gründungskapital der Gründungsgesellschafter betrug 50 000,00 DM. das von den Gründungsgesellschaftern – … je zur Hälfte aufgebracht und gehalten wurde.
Im Gesellschaftsvertrag war eine Kapitalerhöhung auf 5 460 000,00 DM unter gleichzeitigem Beitritt neuer Gesellschafter vorgesehen.
Die beiden Gründungsgesellschafter verblieben mit ihren jeweiligen Kapitalanteilen in der Gesellschaft.
Bis zum 31. Dezember 1996 war das Kapital in Höhe von 5 294 898,00 DM gezeichnet, was 96,975 % des angestrebten Kapitals entsprach. In 1997 wurde das noch offene Gesellschaftskapital in Höhe von 165 180,00 DM von noch bei tretenden Gesellschaftern gezeichnet.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, daß damit die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllt seien und setzte mit Bescheid vom 6. April 1998 gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 554 969,00 DM fest.
Mit ihrer hiergegen fristgerecht erhobenen Sprungklage, der der Beklagte ebenfalls fristgemäß zugestimmt hat, trägt die Klägerin im wesentlichen folgendes vor:
Es sei rechtswidrig, im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 2 a GrEStG Änderungen im Bestand der Gesellschaft, die vor dem 1. Januar 1997 erfolgt seien, zu berücksichtigen. Falls man die vor dem 1. Januar 1997 erfolgten Übertragungen von Gesellschaftsanteilen außer Betracht lasse, läge kein Grunderwerbsteuer auslösender Sachverhalt vor.
Die vom Beklagten zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspreche zwar Tz. 5 des koordinierten Ländererlasses zu § 1 Abs. 2. a GrEStG vom 24. Juni 1998 (Bundessteuerblatt –BStBl– I 1998, S. 925). Diese Verwaltungsauffassung sei jedoch rechtlich nicht zutreffend. Zum einen würden vor dem 1. Januar 1997 erfolgte Änderungen des Gesellschafterbestandes wegen der Anwendungsregelung des § 23 Abs. 3 GrEStG entsprechend maßgeblichen Stimmen in der Literatur tatbestandlich nicht von § 1 Abs. 2 a GrEStG erfaßt (vgl. z. B. Viskorf in Boruttau, GrEStG, 14. Aufl. 1997, § 23, Tz. 52). Zum anderen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbotes für belastende gesetzliche Regelungen gegen die obengenannte Verwaltungsmeinung. Unabhängig davon, ob die Auffassung der Verwaltung als echte oder unechte Rückwirkung anzusehen sei, sei in jedem Fall der Vertrauensschutz des einzelnen als höherrangig gegenüber dem fiskalischen Allgemeininteresse einzustufen. Letztlich werde die neue Vorschrift des § 1 Abs. 2 a GrEStG in der steuerrechtlichen Literatur tatbestandsmäßig als verfassungswidrig unbestimmt angesehen.
Zu den Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 7. Mai 1998 und 24. September 1998 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. April 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft er sich auf Tz. 5 des von der Kläger in zitierten koordinierten Ländererlasses, wonach der Fünfjahreszeitraum schon vor dem 1. Januar 1997 in Lauf gesetzt werden kann.
Dem Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band der vom Beklauten unter der Steuernummer … geführten Grunderwerbsteuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist durch den Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. April 1998 in ihren Rechten verletzt.
Vor Inkrafttreten des neu geschaffenen § 1 Abs. 2 a GrEStG zum 1. Januar 1997 erfolgte eine grunderwerbsteuerliche Gleichstellung von Wechseln im Personenstand einer grundbesitzenden Personengesellschaft mit der Übertragung des Grundstücks selbst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gemäß § 42 Abgabenordnung –AO– nur dann, wenn alle Gesellschaftsanteile zeitgleich oder zeitnah entsprechend einem vorgefaßten Plan ausgetauscht wurden (vgl. hierzu statt vieler Bundesfinanzhof –BFH–, Urteil vom 31. Juli 1991, II R 17/88, BStBl II 1991, S. 891, Amtliche Sammlung der ...