Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Bekanntgabe eines Steuerbescheides bei Zustellungsvollmacht
Leitsatz (redaktionell)
Ein Steuerbescheid kann bei Vorliegen einer Zustellungsvollmacht wirksam an den Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben werden.
Normenkette
AO § 355 Abs. 1 S. 1, § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 110 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger gegen Schätzungsbescheide betr. Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1995 rechtzeitig Einspruch eingelegt hat.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 1995 sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Rechtsreferendar als auch Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei. Mangels Abgabe von Jahressteuererklärungen durch ihn ermittelte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die Einkommen- und Umsatzsteuer 1995 im Wege einer Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977). Er setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 25. September 1997 auf .... DM fest, wobei er Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ... DM sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von brutto .... DM zu Grunde legte. Die Umsatzsteuer setzte er mit Bescheid vom gleichen Tage auf .... DM fest, wobei er von steuerpflichtigen Leistungen im Umfang von .... DM und Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM ausging. Die Bescheide wurden einer „ ... mbH“ mit Sitz in Dresden (künftig: GmbH) zugesandt, von der der Beklagte am 28. Mai 1997 folgendes, vom Kläger zweimal unterschriebenes Schriftstück erhalten hatte:
„Mandant/Auftraggeber/Steuerpflichtiger A
Finanzamt /Steuer-Nr. FA X ...
Vertretungsvollmacht
Hiermit erteile ich der .... mbH ... Vollmacht, mich in allen Steuerangelegenheiten vor den hierfür zuständigen Behörden und Gerichten zu vertreten. Der Bevollmächtigte ist befugt, für mich verbindliche Erklärungen abzugeben, Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen und zurückzunehmen und rechtsverbindliche Unterschriften zu leisten.
Berlin, den 4.5.1997
Zustellungsvollmacht
Ferner benenne ich die ...mbH ... zum Zustellungsvertreter gem. Par. 8 VwZG in Verbindung mit Par. 80 AO.
Berlin, den 4.5.1997“
Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 10. Mai 1995 wegen eines geplanten mehrmonatigen USA-Aufenthaltes dem Beklagten für die Zeit seiner Abwesenheit eine Empfangsbevollmächtigte, Frau Z. in Berlin, benannt.
Die GmbH schrieb dem Kläger am 6. Oktober 1995 Folgendes: „... wie bereits heute telefonisch mit Ihnen abgesprochen, übersenden wir Ihnen die Bescheide über Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1995. Bei beiden handelt es sich um Schätzungen und Sie sind verpflichtet die entsprechenden Erklärungen unverzüglich einzureichen. Bitte setzen Sie sich diesbezüglich mit uns in Verbindung. Für eine kurzfristige Klärung der Angelegenheit wären wir Ihnen dankbar. ...“
Gleichwohl legte der Kläger erst mit Telefaxschreiben vom 5. November 1997 gegen die beiden Schätzungsbescheide Einspruch ein und kündigte die Einreichung der ausstehenden Steuererklärungen an. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1997 bestätigte der Beklagte den Eingang des Einspruchsschreibens und bat den Kläger, die fraglichen Steuererklärungen einzureichen. Diese Bitte wiederholte er mit Schreiben vom 23. Juli 1998. Daraufhin gab der Kläger am 10. August 1998 die Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärung 1995 beim Beklagten ab. Dieser reagierte erst mit Schreiben vom 7. Juli 1999, mit welchem er eine Berücksichtigung der Angaben des Klägers in den Steuererklärungen unter Hinweis darauf ablehnte, dass der Einspruch verspätet eingelegt worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 23. August 1999 sprach er von sich aus eine Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an und bat den Kläger um eine ausführliche schriftliche Begründung und entsprechenden Nachweis. Diese Aufforderung wiederholte er mit Schreiben vom 22. November 1999. Der Kläger bat diesbezüglich mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1999 um Fristverlängerung. Für ihn äußerte sich mit Schreiben vom 26. Januar 2000 die ...GmbH. Mit Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2000 wies der Beklagte die Einsprüche als unzulässig zurück und lehnte damit inzidenter eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. S. von § 110 AO 1977 bezüglich der Versäumung der Einspruchsfrist ab.
Mit seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Einsprüche vom 4. November 1997 nicht verspätet gewesen seien. Die der ... GmbH erteilte Vollmacht habe sich nur auf die Veranlagungszeiträume ab 1996 bezogen, da der Kläger unstreitig erst ab 1996 vollständig selbständig als Rechtsanwalt beruflich tätig gewesen ist. Die Steuererklärungen bis einschließlich 1995 hat er selbst erstellt. Mangels Erteilung einer wirksamen Zustellungsvollmacht für die fraglichen Schätzungsbescheide seien diese erst mit ihrem Eingang beim Kläger persönlich am 8. Oktober 1997 vom Beklagten wirksam bekanntgegeben worden.
Hilfsweise macht der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben durch den Beklagten geltend, da die...