Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Nach dem Halbteilungsgrundsatz, auf dem der Familienleistungsausgleich beruht, bestimmt § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG, dass in den Fällen, in denen das Existenzminimum des Kindes durch den Kinderfreibetrag von der Einkommensteuer freigestellt wird, das Kindergeld „im entsprechenden Umfang“ der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen ist. Bei einem Unterhaltspflichtigen, der seine, wenn auch auf Null herabgesetzte, Unterhaltspflicht in vollem Umfang erfüllt hat, ist der Anspruch auf Kindergeld bei der Günstigerprüfung und ggf. auch bei der Hinzurechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG stets „in entsprechendem Umfang“, d.h. mit der Hälfte des gesetzlichen Kindergelds anzusetzen.
Normenkette
EStG § 31 Sätze 1, 4-5; BGB § 1612b
Nachgehend
Tatbestand
Der 1961 geborene Kläger, der als Triebfahrzeugführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, ist geschieden. Er hat sechs Kinder, von denen das älteste die im Streitjahr 17-jährige xxxxxx (M) ist, die bei ihrer Mutter, an die auch das Kindergeld von monatlich 250 DM ausgezahlt wurde, lebte. M war ab März 1999 gegen ein Entgelt von 1.430 DM brutto nichtselbständig tätig.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1999 bezifferte der Kläger den zivilrechtlichen Kindergeld-Ausgleichsanspruch für M mit 375 DM. Der Beklagte brachte bei der Einkommensteuerveranlagung jedoch keinen Kinderfreibetrag für M in Ansatz. Er führte als Begründung an, die Günstigerprüfung habe ergeben, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch das Kindergeld oder vergleichbare Leistungen bewirkt worden sei.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch. Er wies nach, dass er aufgrund des eigenen Einkommens des Kindes ab April 1999 von Unterhaltszahlungen an M befreit worden sei, und machte geltend, dass das hälftige Kindergeld den Regelunterhalt deshalb von diesem Zeitpunkt an nicht mehr habe mindern können. Es fehle daher insoweit an einem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch im Sinne von § 1612b des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-, der nach § 31 des Einkommensteuergesetzes -EStG- auf den ihm zustehenden halben Kinderfreibetrag angerechnet werden könne.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass bei dem Kläger wegen des gesetzlichen Verrechnungsgebots in § 31 Satz 5 EStG kein Kinderfreibetrag berücksichtigt werden könne. Für die Anwendung dieser Vorschrift genüge es, wenn der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch abstrakt bestehe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 10. April 2001 (Bl. 4 f. der Streitakten) Bezug genommen.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein auf die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags gerichtetes Begehren mit der Begründung weiter, dass ihm ab April 1999 kein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch mehr zugestanden habe.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Bescheids vom 17. Juli 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2001 die Einkommensteuer für 1999 auf 9.717 DM herabzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er vertritt unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 30. November 2004 VIII R 73/99 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2005, 1029) und VIII R 76/00 (BFH/NV 2005, 856) die Ansicht, dass es nicht darauf ankommen könne, ob ein Steuerpflichtiger den ihm zustehenden Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes tatsächlich realisiere. Anderenfalls könnten die Berechtigten durch Überlassung des Kindergeldes an den anderen Elternteil eine vom Gesetz nicht beabsichtigte Mehrfachbegünstigung erreichen. Aufgrund der fehlenden Bedürftigkeit des Kindes barunterhaltspflichtiger Elternteile wäre der hälftige Kinderfreibetrag ohne Verrechnung mit dem hälftigen Kindergeld zu berücksichtigen, während bei der Günstigerprüfung des anderen Elternteils dem hälftigen Kinderfreibetrag das volle Kindergeld gegenüberzustellen wäre. Ein solches Ergebnis widerspräche nicht nur dem Halbteilungsgrundsatz, sondern auch dem erkennbaren Zweck der §§ 31, 36 Abs. 2 EStG, Doppelbegünstigungen für dasselbe Kind zu vermeiden. Aus diesem Grunde habe der Gesetzgeber auch die bis 1995 bestehende Möglichkeit der einvernehmlichen Übertragung des Kinderfreibetrags auf einen Elternteil abgeschafft, um ein Auseinanderfallen der Kindergeldberechtigung und des Anspruchs auf den Kinderfreibetrag und damit Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden.
Dem Gericht haben die vom Beklagten für den Kläger geführten Steuerakten (1 Bd.) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr durfte für M kein Kinderfreibetrag...