rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung der Familienkasse zur Aufhebung und Rückforderung für nach Entfallen der Kindergeldanspruchsberechtigung weiter ausgezahltes Kindergeld. Treu und Glauben bzw. Verwirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist der Kindergeldanspruch für das volljährige, in Ausbildung befindliche Kind infolge des Abbruchs der Berufsausbildung entfallen, wurde gleichwohl jahrelang weiter Kindergeld ausgezahlt und wurden für den streitigen Zeitraum nicht die Voraussetzungen für eine weitere Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG glaubhaft gemacht, so ist die Familienkasse unter Beachtung der Festsetzungsverjährung zu einer rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG sowie zu einer Rückforderung des für die Zeit nach Abbruch der Ausbildung weiter ausgezahlten Kindergelds verpflichtet.
2. Der Elternteil kann dem Rückforderungsanspruch der Familienkasse nicht entgegenhalten, er habe die ausgezahlten Kindergeldbeträge durch Weitergabe an das Kind verbraucht und sei daher entreichert. Für Ansprüche auf der Grundlage des § 37 Abs. 2 AO sind die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches zur ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) weder unmittelbar noch analog anwendbar. Auch die bloße Weiterzahlung des Kindergeldes – selbst bei Kenntnis der Behörde von Umständen, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen – kann keinen Vertrauenstatbestand dahingehend schaffen, dass von einer Kindergeldrückforderung nach Treu und Glauben abgesehen werden müsste. Das gilt insbesondere dann, wenn der Elternteil seine Mitwirkungspflichten gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG verletzt hat, indem er die Familienkasse nicht unverzüglich über den Wegfall der Kindergeldanspruchsberechtigung informiert hat.
3. Die Kindergeldrückforderung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt verwirkt, dass die Familienkasse nach der Beantragung des Kindergeldes durch den Elternteil mehr als fünf Jahre lang durchgehend Kindergeld für das vom Zeitpunkt der Beantragung an volljährige Kind gezahlt hat, ohne zwischenzeitlich Nachweise über die Tätigkeiten dieses Kindes anzufordern.
Normenkette
EStG 2007 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, b, c, § 70 Abs. 2 S. 1, § 68 S. 1; AO § 37 Abs. 2 Sätze 1-2; BGB §§ 812, 242
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides der Familienkasse vom 6. August 2010, mit dem die Kindergeldfestsetzung für ihren Sohn M., geboren am … (nachfolgend abgekürzt: M.), ab Dezember 2006 aufgehoben und zugleich die Erstattung gezahlten Kindergeldes für den Zeitraum Dezember 2006 bis November 2009 sowie des im April 2009 gezahlten Kinderbonus angeordnet wurde.
In ihrem Kindergeldantrag für das Kind M. vom … gab die Klägerin an, dass ihr Ehegatte A. Kaufmann sei und in der …str. in … den Betrieb „Y” führe.
Mit am 27. Mai 2004 bei der Familienkasse … (nachfolgend abgekürzt: Familienkasse) eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin Kindergeld für das Kind M. Sie gab an, dass das Kind M. eine Ausbildung aufnehmen wolle und bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit gemeldet sei. Auf Nachfrage der Familienkasse teilte die Berufsberatung der Agentur für Arbeit im August 2004 mit, dass das Kind M. am 26. Mai 2004 zur Beratung angemeldet worden sei und noch nicht vermittelter Bewerber für eine berufliche Ausbildung sei.
Mit Bescheid vom 19. August 2004 setzte die Familienkasse aufgrund der Angaben der Klägerin in ihrem Antrag vom 27. Mai 2004 Kindergeld für das Kind M. ab Mai 2004 fest. In dem Bescheid wies die Familienkasse die Klägerin darauf hin, dass sie verpflichtet sei, der Familienkasse jede Änderung in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, anzuzeigen, und dass sie insbesondere mitteilen müsse, wenn das Kind M. eine Ausbildung antrete oder eine Zusage, Zulassung oder einen Vertrag für einen beruflichen Ausbildungsplatz erhalte, nicht mehr an einer beruflichen Ausbildung interessiert sei, eine Beschäftigung aufnehme (wobei es nicht auf den Umfang der Beschäftigung ankomme), erstmals Einnahmen erziele oder sich seine bisherigen Einnahmen erhöhten oder es zum Wehr- oder Zivildienst einberufen werde.
Mit Bescheid vom 29. September 2004 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das Kind M. ab Oktober 2004 mit der Begründung auf, das Kind M. strebe nach Mitteilung der Berufsberatung eine Ausbildung nicht bzw. nicht mehr an und könne daher nicht mehr als Kind ohne Ausbildungsplatz gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden.
Nachdem die Klägerin Nachweise über Bewerbungen des Kindes M. um einen Ausbildungsplatz vorgelegt hatte setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 7. Oktober 2004 wieder Kindergeld für das Kind M. ab Oktober 2004 fest. In dem Bescheid wies die Familienkasse die Klägerin nochmals darauf hin, dass sie verpflichtet sei, der Familienkas...