rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1993 vom 09.10.1995 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27.06.1996 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Gründe
Ende 1994 setzte der Beklagte den Klägern gegenüber erstmalig eine Einkommensteuervorauszahlung für das Streitjahr fest. Ihren Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid begründeten die Kläger damit, daß sich aufgrund vorläufiger Gewinnermittlung unter Berücksichtigung von noch nicht in der betriebswirtschaftlichen Auswertung enthaltenen Positionen voraussichtlich ein Verlust in Höhe von 20.000,00 DM ergeben werde. Zum Beleg reichten sie eine betriebswirtschaftliche Auswertung auf den 31.12.1993 ein, nach der sich für das Streitjahr ein Verlust aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin von rund 150.000,00 DM ergab. Daraufhin setzte der Beklagte die für das Streitjahr angeordneten Einkommensteuervorauszahlungen auf Null DM herab.
Nachdem die Kläger trotz Aufforderung durch den Beklagten keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr abgaben, schätzte dieser die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 09. 10.1995 die Einkommensteuer 1993 auf 72.462,00 DM fest. Dabei ging er von Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 210.000,00 DM aus, indem er den Gewinn der Klägerin wie folgt berechnete:
Umsätze erklärt: |
559.031,00 DM |
Sicherheitszuschlag: |
40.969,00 DM |
gesamt |
600.000,00 DM |
davon 35 % Gewinn |
210.000,00 DM. |
Dabei berücksichtigte der Beklagte den im Vorjahr von der Klägerin erzielten Reingewinnaufschlag von 36 %, jedoch nicht die Angaben aus dem vorausgegangenen Einspruchsverfahren zur Festsetzung einer nachträglichen Vorauszahlung.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit einem nur von der Klägerin unterzeichneten Schreiben vom 09.11.1995, welches am 14.11.1995 beim Beklagten einging, Widerspruch ein. Der Beklagte faßte das Widerspruchsschreiben als Einspruch der Kläger auf. Der Briefumschlag, mit dem die Kläger das Schreiben versandt hatten, trägt einen Poststempel vom 13.11.1995.
Mit Schreiben vom 24.11.1995 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, daß der Einspruch einen Tag nach dem Ende der Einspruchsfrist bei ihm eingegangen sei und daß ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldetem Fristversäumnis binnen eines Monats nach dem Wegfall der Hinderungsgründe gestellt werden könne.
Beim Beklagten gingen daraufhin ein Fax und ein Originalschreiben der Prozeßbevollmächtigten ein, die beide vom 21.12.1995 datieren und beide einen Eingangsstempel des Beklagten mit dem Datum 03.01. 1996 tragen. Damit beantragten die Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Einspruchsfrist. Sie hätten das Einspruchsschreiben am 09.11.1995 per Einschreiben bei der Post aufgegeben, so daß es bei Einhaltung der normalen Postlaufzeit am 10.11.1995, spätestens aber am 13.11.1995 beim Beklagten hätte eingehen müssen. Die Verzögerung im Postverkehr, die zu dem eintägigen Überschreiten der Frist geführt habe, sei ihnen nicht als Verschulden anzulasten. Einen Einlieferungsschein oder einen anderen Nachweis für die Einlieferung des Einspruchsschreibens zur Post am 09.11.1995 reichten sie in der Folgezeit jedoch nicht ein.
Der Beklagte verwarf mit seiner Einspruchsentscheidung vom 27.06. 1996 den Einspruch als unzulässig. Wiedereinsetzung in die – versäumte – Einspruchsfrist gewährte der Beklagte nicht, da die Kläger zum einen den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht binnen eines Monats nach Mitteilung von dem Fristversäumnis und dem damit verbundenen Wegfall des Hindernisses gestellt hätten und zum anderen nicht von einem unverschuldeten Fristversäumnis ausgegangen werden könne. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß sie das Einspruchsschreiben bereits am 09.11.1995, und damit rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist, bei der Post aufgegeben hätten.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage machen die Kläger geltend, daß der Wiedereinsetzungsantrag ausweislich der beigefügten Kopie des Postausgangsbuches des Prozeßbevollmächtigten am 21.12.1995 und damit so rechtzeitig abgesandt worden sei, daß der Eingang beim Beklagten innerhalb der Monatsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung -AO- hätte erfolgen müssen.
Unabhängig von der Frage der Einhaltung der Einspruchsfrist oder der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Einkommensteuerbescheid vom 09.10.1995 aber schon deswegen aufzuheben, weil er nichtig sei. Die Nichtbeachtung des bereits im Jahre 1994 mitgeteilten voraussichtlichen Jahresergebnisses führe zu einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne von § 125 Abs. 5 AO. Im Hinblick auf die eingereichte betriebswirtschaftliche Auswertung überschreite ...