rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG für die Vertretung in einem isolierten Prozesskostenhilfeverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Auch das isolierte Prozesskostenhilfeverfahren ist ein gerichtliches Verfahren im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG, selbst wenn sich daran kein gerichtlicher Rechtsstreit in der Hauptsache – z.B. ein Klageverfahren – anschließt. Der Umstand, dass das Prozesskostenhilfeverfahren nicht die Rechtshängigkeit begründet oder voraussetzt und ebenso wenig ein kontradiktorisches Streitverfahren ist, ändert nichts daran, dass es sich um ein „besonderes, in sich geschlossenes gerichtliches Verfahren” handelt und eine Vergütungsfestsetzung unter diesem Gesichtspunkt möglich ist. Auf die Rechtshängigkeit i. S. d. § 66 FGO kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden.
Normenkette
RVG § 11 Abs. 1; ZPO § 117; FGO § 66
Tenor
Die gemäß § 11 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) von der Erinnerungsgegnerin an die Erinnerungsführerin zu erstattende Vergütung wird antragsgemäß auf 107,06 EUR (in Worten: einhundertundsieben und 6/100 Euro) festgesetzt. Die antragsgemäße Festsetzung bezieht sich auf den Gesamtbetrag und nicht auf einzelne Ansätze.
Der festgesetzte Betrag ist ab 14. August 2014 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verzinsen (§§ 155 FGO, 104 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
Mit Schriftsatz vom 8. August 2013 hatte die Erinnerungsführerin als Prozessbevollmächtigte für die Erinnerungsgegnerin unter dem Aktenzeichen 4 K 0/13 „Klage unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe” gegen die Familienkasse (…) erhoben. Die Erinnerungsgegnerin begehrte den Bescheid (…) in Gestalt der Einspruchsentscheidung (…) aufzuheben und ihr aus dem abgezweigten Anspruch ihrer Mutter Kindergeld (…) direkt zu zahlen.
Mit Bescheiden vom (…) gab die Familienkasse dem Begehren der Erinnerungsgegnerin statt, woraufhin die Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgaben.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 wurde das isolierte Prozesskostenhilfeverfahren sodann analog § 72 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Kostenentscheidung eingestellt, da im Prozesskostenhilfeverfahren eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht stattfindet. Ein Klageverfahren wurde anschließend nicht aufgenommen.
Mit Schriftsatz vom 13. August 2014 – Eingang bei Gericht am 14. August 2014 – beantragte die Erinnerungsführerin die Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG und begehrte insgesamt die Auszahlung von noch 107,06 EUR zuzüglich Verzinsung und bat um vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses mit dem Vermerk des Zustellungsdatums.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts unterrichtete die Erinnerungsgegnerin über den Antrag und vertrat gegenüber der Erinnerungsführerin die Ansicht, dass die Verfahrensvoraussetzungen des § 11 RVG nicht erfüllt seien. Nach § 11 RVG könne ausschließlich das Gericht des ersten Rechtszuges die Gebühren festsetzen. Da im vorliegenden Verfahren lediglich ein Rechtsstreit beabsichtigt gewesen und tatsächlich noch keine Klage erhoben worden sei, fehle es an einem Ausgangsverfahren, welches die sachliche oder örtliche Zuständigkeit begründen würde. Dem widersprach die Erinnerungsführerin.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2014 lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag ab. Der Beschluss wurde am 28. Oktober 2014 der Erinnerungsführerin zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2014 legte die Erinnerungsführerin Erinnerung ein und vertrat die Ansicht, dass die Vergütung festzusetzen sei. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab.
Die Erinnerungsgegnerin hat sich im gesamten Verfahren auf die erfolgte Anhörung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RVG, Art. 103 Abs. 1 GG, nicht geäußert.
Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 24. Oktober 2014 aufgehoben und die der Erinnerungsführerin durch die Erinnerungsgegnerin zu erstattende Vergütung festgesetzt. Die Erinnerungsführerin kann nach § 11 RVG grundsätzlich die Festsetzung der Vergütung durch das Gericht fordern. Die Vergütung wird antragsgemäß festgesetzt, obwohl von einem geringeren Gegenstandswert auszugehen ist.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG setzt das Gericht des ersten Rechtszuges auf Antrag des Rechtsanwaltes Vergütungen fest, soweit die gesetzliche Vergütung, eine nach § 42 RVG festgestellte Pauschgebühr und die zu ersetzenden Aufwendungen (§ 670 BGB) zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören.
Auch das isolierte Prozesskostenhilfeverfahren ist ein gerichtliches Verfahren im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG, selbst wenn sich daran kein gerichtlicher Rechtsstreit in der Hauptsache – z.B. ein Klageverfahren – anschließt (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. August 2002 – 14 W 506/02 – JurBüro 2002, S. 588; LG Osnabrück, Beschluss vom 15. August 2002 – 9 T 766/02 – NdsRpfl. 2003, S. 72; AG Koblenz, Beschlu...