rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskostenabzug nach den Grundsätzen der unechten doppelten Haushaltsführung bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen Einkünfte des Jahres 2003
Leitsatz (redaktionell)
1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Auffassung der Familienkasse, dass im Jahr 2003 bei der Ermittlung der Einkünfte (i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) der volljährigen Tochter, die für den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufgebildet worden ist und im Hinblick auf mehrere mehrmonatige Lehrgänge an einer Fachhochschule eine Ein-Zimmer-Wohnung am Ort der Fachhochschule angemietet hat, ein Werbungskostenabzug nach den Grundsätzen der unechten doppelten Haushaltsführung (Abschn. 43 Abs. 5, 6, 9 der Lohnsteuer-Richtlinien) für die auswärtige Unterbringung sowie Familienheimfahrten nicht möglich sein soll (gegen BFH-Rechtsprechung).
2. Unter „Einkünften” in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind die Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 2 EStG zu verstehen. Dies bedeutet, dass Aufwendungen, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können, zugleich bei der Ermittlung der Einkünfte i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG uneingeschränkt zum Abzug zugelassen werden müssen. Die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen des volljährigen Kindes für Unterkunft und Verpflegung als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen muss deshalb auf die Ermittlung der Bezüge i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG begrenzt bleiben.
Normenkette
EStG 2002 § 32 Abs. 4 Sätze 2-4, § 2 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 4 Abs. 4; LStR 2004 Absch. 43 Abs. 5 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 6, 9 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Kindergeldbescheides vom 30. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2008 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Verfahrens 4 K 354/08 ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Der Antragsteller erhielt für seine in seinem Haushalt lebende am 11. Juni 1982 geborene Tochter J. Kindergeld. Sie absolvierte seit Oktober 2001 eine Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes … Dazu gehörten mehrere mehrmonatige Lehrgänge an der … Fachhochschule für … in O. Deshalb mietete sie von November 2001 bis September 2004 in O. eine rund 40 m² große Ein-Zimmer-Wohnung, die sie in den Lehrgangspausen von Oktober 2002 bis März 2003 und Oktober 2003 bis März 2004 untervermietete. Im Streitjahr 2003 hielt sie sich vom 1. April bis 30. September für die Dauer eines sechsmonatigen Lehrgangs in dieser Wohnung auf.
Nachdem die Antragsgegnerin u.a. wegen der ihrer Ansicht nach nur unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers zu der Überzeugung gelangt war, dass J. eigene Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag von 7.188 EUR im Streitjahr überschritten, hob sie die Kindergeldfestsetzung für das Streitjahr auf und forderte den überzahlten Betrag von 1.848 EUR vom Antragsteller zurück.
Dagegen hat der Antragsteller nach erfolglosem Vorverfahren zum Aktenzeichen 4 K 354/08 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist, und zugleich im vorliegenden Verfahren die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide durch das Gericht beantragt, nachdem die Antragsgegnerin einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, die eigenen Einkünfte und Bezüge seiner Tochter würden lediglich 5.389,73 EUR betragen. Er könne jedoch insbesondere ihre Werbungskosten nicht mehr im Einzelnen nachweisen. Seiner Mitwirkungspflicht seien durch Zeitablauf Grenzen gesetzt. Demgegenüber sei die Antragsgegnerin ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht geworden und habe ihre Aufklärungspflicht verletzt, weil sie aktenkundige Tatsachen und Beweismittel der Jahre 2002 und 2004 außer Acht gelassen habe. Sie habe in rechtwidriger Weise entweder von einer Schätzung der Werbungskosten ganz abgesehen oder die Schätzung nicht sachgerecht vorgenommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Darstellung des Antragstellers in der Antragsschrift und die als Anlage zum Schriftsatz vom 7. August 2008 eingereichte Berechnung der Einkünfte und Bezüge Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig, weil sie seine ursprüngliche Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung aufgrund des dagegen eingelegten Einspruchs des Antragstellers korrigiert und die beantragte Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid ausgesetzt habe. Im Übrigen hält sie an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest, dass J. Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag überstiegen, weil der Antragsteller die geltend gemachten Werbungskosten nicht nachgewiesen habe.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht nur zulässig, wenn die Behörde einen entsprechenden Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nur dann nicht, wenn die Behörde über einen solchen Antrag ohne Mitteilung eines zurei...