Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei nicht ordnungsmäßiger Buchführung. zahlreiche Ungereimtheiten nachträglich vorgelegter Aufzeichnungen
Leitsatz (redaktionell)
Die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen begegnet keinen Bedenken, wenn die vorgelegten Unterlagen zahlreiche Ungereimtheiten und offensichtlichen Fehler aufweisen, die nicht mit einem einzelnen versehentlichen Schreibfehler erklärbar sind und daher den Verdacht nahelegen, dass sie nachträglich erstellt worden sind.
Normenkette
AO §§ 158, 162
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kostendes Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb der Frau B. – der früheren Klägerin –, die am 29. April 2006 verstorben ist. Die jetzige Klägerin – ihre Tochter – führt als Alleinerbin den Rechtsstreit fort.
Die am … geborene Frau B. meldete am 08. Februar 1994 einen Einzel- und Großhandel für Konfektion, Textilien und sonstige Zutaten für die Adresse der Betriebsstätte Z., Y., an, der unter der Bezeichnung D. Markt im Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister angemeldet wurde. Als frühere Betriebsinhaberin wurde E. angegeben. Am 31. Mai 1997 meldete Frau B. das Unternehmen ab. Eingetragen, jedoch durchgestrichen war eine Betriebsstätte unter der Anschrift X., W.. Frau B. wohnte zumindest im Streitjahr privat in der V. in Z. und war unter der Telefon-Nummer … zu erreichen. Unter dieser Adresse nebst Telefon-Nummer ist auch die Klägerin erreichbar.
Unter der Adresse der Betriebsstätte in X. – W. in X., Telefon-Nummer … – war auch die Firma F. gemeldet. Diese Firma wies ihr Zentrallager in Z., Y., mit der Telefon-Nummer … aus. Die Telefon-Nummer dieses Zentrallagers war identisch mit derjenigen der Frau B. in ihrem Betrieb in Z., Y..
Des Weiteren hatte die E. im Streitjahr ihren Sitz in der Y. unter derselben Telefon-Nummer, unter der das Unternehmen von Frau B. zu erreichen war. Zumindest im Streitjahr arbeitete in der E. G., der Sohn der Klägerin. Die von dieser eingereichten Rechnungen der Firma E. sind alle von dem Bearbeiter G. erstellt worden.
Darüber hinaus traten zwei weitere mit Frau B. bzw. der jetzigen Klägerin verbundene Firmen in Erscheinung: die H., die im Streitjahr eine Firmenadresse in Z., V. hatte, also der Privatadresse der Frau B., sowie die I. für Konfektion/Textilien/Zubehör. Der Großhandel firmierte unter der Privatadresse von Frau B., während das Einzelhandelsgeschäft in der U. in T. geführt wurde. In diesem Einzelhandelsgeschäft arbeitete zeitweilig Frau J., die Schwiegertochter der Klägerin, deren Klage hinsichtlich Umsatzsteuer 1996 vom erkennenden Senat durch rechtskräftiges Urteil vom 09. Mai 2005 – Az.: 1 K 134/01 – abgewiesen worden ist. Bei Frau J. war ebenfalls eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt worden. Ihr Unternehmen sowie dasjenige der Frau B. wurden im Anschluss an die Umsatzsteuersonderprüfungen jeweils abgemeldet.
Zuletzt war Frau B. auch noch mit einem Unternehmen Groß- und Einzelhandel B. Textilbedarf in der S. in X. in Erscheinung getreten, die nur unter einer Handy-Nummer erreichbar war.
Der Beklagte erließ am 04. März 1997 eine Prüfungsanordnung für die Umsatzsteuer 1996, die sich auf die Teilbereiche 1. Bis 3. Quartal 1996, steuerpflichtige Umsätze und Vorsteuerabzug beschränken sollte, da von Frau B. hohe Vorsteuerbeträge geltend gemacht worden waren. Der Prüfer besuchte am 13. März 1997 die angegebene Y. in Z., fand dort aber lediglich eine Verkaufsstelle der E. vor. Alle weiteren Gebäude auf dem Hof standen leer. Darunter war auch ein Gebäudeteil, an dem noch ein Firmenschild der H. hing.
Am 19. März 1997 reichte die Klägerin für ihre Mutter die zu prüfenden Unterlagen beim Beklagten ein. Der Prüfer stelle daraufhin fest, dass die Aufzeichnungen der Frau B. nicht den Anforderungen der §§ 145 ff. Abgabenordnung entsprachen. Nach seiner Auffassung war die Steuerpflichtige Frau B. als Vollkaufmann im Sinne des § 1 HGB buchführungspflichtig. Der Prüfer stellte weiterhin fest, dass aus mehreren Rechnungen hohe Vorsteuerbeträge geltend gemacht worden waren. Auch aus einer Gutschrift war Vorsteuer gezogen worden. Warenbestände ließen sich mangels einer Inventur nicht nachvollziehen. Dementsprechend stellte der Prüfer den Wareneinkauf und den Warenverkauf im Prüfungszeitraum gegenüber. Dieser Vergleich lasse – so der Prüfer – die Schlussfolgerung zu, dass das Geschäft nicht in kaufmännischer Weise geführt werde. Diverse Artikel würden in erheblichen Mengen eingekauft, aber nicht verkauft. Dafür würden Artikel verkauft, die nicht eingekauft worden seien. Ein Einzelhandelsgeschäft betreibe die Steuerpflichtige nicht. Auf Grund der Summe der festgestellten Ungereimtheiten kam der Prüfer zu dem Schluss, dass die geschäftliche Tätigkeit entweder vorgetäuscht oder zumindest in einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung ...