rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerlegung des Buchführungsergebnisses eines Fliesenlegers durch Geldverkehrsrechnung. Ansatz der Lebenshaltungskosten in der Geldverkehrsrechnung lediglich in Höhe des Existenzminimums. Beweislast bei Geldverkehrsrechnung. keine Pflicht zur Führung eines Haushaltsbuches
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine richtig durchgeführte Geldverkehrsrechnung in ihren verschiedenen Spielarten ist grundsätzlich geeignet, die Beweiskraft einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu widerlegen. Übersteigen die Ausgaben die zur Verfügung stehenden Mittel, so rechtfertigt dies grundsätzlich die Annahme, dass die Fehlbeträge aus unversteuerten, jedoch steuerpflichtigen Einnahmen stammen, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, die vorzutragen dem Steuerpflichtigen obliegt.
2. Der Nachweis, dass derartige Fehlbeträge überhaupt vorliegen, kann nur geführt werden, wenn die in einer Geldverkehrsrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen verarbeiteten Positionen ihrerseits nachweislich zutreffen. Wenn bestimmte Positionen wie z. B. Lebenshaltungskosten nicht (mehr) ermittelbar sind, jedoch in einem gewissen Maße denknotwendig angefallen sein müssen, können diese Positionen zwar nur geschätzt werden. Auf dieser Stufe der Schätzung sind Unsicherheitszuschläge oder sonstige unbewiesene Annahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen – seien sie auch plausibel – indes nicht ohne weiteres zulässig. Für die Lebenshaltungskosten sind daher in der Geldverkehrsrechnung wenigstens die Beträge anzusetzen, die dem lebensnotwendigen Existenzminimum entsprechen, wobei die Sozialhilfesätze nur eingeschränkt übertragbar sind; darüber hinaus sind grundsätzlich keine weiteren Beträge zu berücksichtigen, also weder statistische Durchschnittswerte noch Werte, die der allgemeinen Lebenserfahrung oder sonstigen typisierenden Annahmen entsprechen.
3. Wenn ein Steuerpflichtiger für seine privaten Ausgaben kein „Haushaltsbuch” geführt hat, kann das bei der Geldverkehrsrechnung nicht zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden.
4. Weder der Bau des Hauses noch Besitztümer wie z. B. Autos rechtfertigen die Annahme, dass Steuerpflichtige hinsichtlich der allgemeinen Lebenshaltungskosten Aufwendungen betreiben, die über dem Existenzminimum liegen. Der Bau eines Hauses rechtfertigt auch nicht den zwingenden Schluss, dass für die Bewirtung von Helfern auf dem Bau und die allfälligen Feste zur Grundsteinlegung und zum Richtfest im Rahmen der Lebenshaltung erhebliche Zusatzkosten angefallen sein müssen.
5. Bei einem Fliesenleger kann im Rahmen einer Geldverkehrsrechnung unterstellt werden, dass er über die notwendigen handwerklichen Kenntnisse für die Errichtung des Hauses verfügt und ein Haus vollständig selbst errichten kann.
6. Die Feststellung, dass sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen lassen, insbesondere eine Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, muss nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Regeln erfolgen. Ein Grund, für die entsprechenden Tatsachen das Beweismaß zu senken, ist nicht erkennbar. Erst wenn die Feststellung gelingt, dass die Voraussetzungen des § 162 AO vorliegen, findet auf die damit eröffnete Schätzung das reduzierte Beweismaß der Schätzung im üblichen Sinne Anwendung. Gelingt sie nicht, so geht das zu Lasten des FA, das die objektive Feststellungslast für die Umstände, aus denen es die Schätzungsbefugnis herleitet, trägt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1; AO § 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 158; FGO § 96 Abs. 1
Tenor
Die Bescheide vom 08. Mai 2001 in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 14. März bzw. 28. April 2003 über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1997 und 1998, die Gewerbesteuermessbeträge 1997 und 1998 sowie die Umsatzsteuer 1997 und 1998 werden dahin geändert, dass die Hinzuschätzungen auf die Gewinne bzw. Umsätze von DM 19.000 netto im Jahre 1997 und von DM 11.350 netto im Jahre 1998 rückgängig gemacht werden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine aus W.Z. und dessen Sohn M.Z. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in den Streitjahren in Q. einen Fliesen-, Platten- und Mosaikleger-Meisterbetrieb führte. Die beiden Gesellschafter lebten in den Streitjahren gemeinsam mit R.Z. (der Ehefrau des W. Z. bzw. Mutter des M. Z.) und der 1977 geborenen S.Z. (Tochter bzw. Schwester) in einem Haushalt. M.Z. hatte 1996 ein Grundstück ebenfalls in Q. erworben, auf dem er 1997 ein Haus zu bauen begann. Er bezog es 1999.
Die Gewinnfeststellungen bzw. Steuerfestsetzungen erfolgten zunächst antragsgemäß wie folgt:
Umsatzsteuer 1997 |
DM |
865,90 |
Umsatzsteuer 1998 |
DM |
7.589,70 |
Feststellung 1997 |
DM |
35.642,00 |
Feststellung 1998 |
DM |
34.616,00 |
Gewerbesteuermessbetrag 1997 |
DM |
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