Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft sowie Uneinbringlichwerden der Verbindlichkeiten der Organgesellschaft nicht schon bei Beantragung eines Insolvenzverfahrens bzw. Einsetzung eines vorläufigen „schwachen” Insolvenzverwalters, sondern erst bei der tatsächlichen Eröffung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft wird durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters über das Vermögen der Organgesellschaft nur dann beendet, wenn diesem durch den Beschluss des Insolvenzgerichtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen wird (Anschluss an BFH-Rechtsprechung), nicht aber, wenn lediglich ein Zustimmungsvorbehalt durch einen „schwachen” vorläufigen Insolvenzverwalter angeordnet wird.
2. Das gilt auch dann, wenn der vorläufige schwache Insolvenzverwalter abweichend von der tatsächlichen Beauftragung durch das zuständige Amtsgericht eine viel stärkere Stellung innehat und der Organträger die ihm zustehenden Rechte nicht mehr in vollem Umfang ausnutzt.
3. Sind zum Zeitpunkt des mit „Liquiditätsproblemen/Zahlungsunfähigkeit” begründeten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft die offenen Forderungen höher als die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ist noch nicht von einer zur Vorsteuerberichtigung führenden Uneinbringlichkeit der Verbindlichkeiten i. S. v. § 17 Abs. 1, 2 UStG auszugehen (im Streitfall: Uneinbringlichwerden der Verbindlichkeiten der Organgesellschaft sowie Beendigung der Organschaft erst im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, bisheriger Organträger als Schuldner der Steuernachforderung infolge der Vorsteuerberichtigung).
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3, Abs. 2 Nr. 1; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, §§ 22, 38
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit einer vom Beklagten gegenüber dem Kläger in 2002 vorgenommenen Vorsteuerberichtigung.
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ingenieurtechnik A. GmbH. Gegenstand des Unternehmens war die Ausführung von Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen, Klimaanlage und Trockenausbau sowie alle damit verbundenen Gewerke. Die GmbH war unstreitig als Organgesellschaft in das Unternehmen des Klägers (Organträger) gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) eingegliedert. Die von der GmbH erzielten Umsätze und Eingangsleistungen wurden daher dem Kläger zugerechnet.
Im März 2002 beantragte der Kläger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH wegen Liquiditätsproblemen/Zahlungsunfähigkeit.
Am 19. März 2002 ordnete das zuständige Amtsgericht Sicherungsmaßnahmen an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. In dem Beschluss heißt es:
- Es wird gemäß § 21 Abs. 2 Ziffern 1 und 2 InsO die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin angeordnet.
- Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird bestellt: Rechtsanwalt S.
- Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur noch mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziffer 2, 2. Alt. InsO)
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für die Antragstellerin zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur dann wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben schon vor Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter soll insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 InsO
- das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;
- prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Antragstellerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, ob eine freie Vermögensmasse zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens der Antragstellerin bestehen.
Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
Der Antragstellerin wird jegliche Verfügung über Bankkonten und damit zusammenhängende Kreditsicherheiten, Verträge und Rechtsgeschäfte untersagt und die Verfügungsbefugnis insoweit ausschließlich dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen.
Den Schuldnern der Antragstellerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Antragstellerin zu leisten. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben, Zahlungseingänge auf Konten und sonstige Forderungen der Antragstellerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).
[…]
Durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 20. August 2002 wurde das Insolvenzverfahren...