rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis und Klagebefugnis eines Kindes in Kindergeldangelegenheiten gegeben. Verlängerung der Bezugsdauer des Kindergelds wegen Ableistung des Grundwehrdienstes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Den Kläger trifft kein Verschulden an der Versäumung der Klagefrist, denn ein mittelloser Kläger ist jedenfalls dann bis zur Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag unverschuldet verhindert, Klage zu erheben, wenn er vor Ablauf der Rechtsmittel- bzw. Klagefrist alles Zumutbare getan hat, um das Hindernis der Mittellosigkeit zu beseitigen. Erforderliche Belege können dabei erst nach Fristablauf nachgereicht und unklare oder missverständliche Angaben ergänzt werden. Dies muss insbesondere in Bezug auf Unterhalt in der Form von Naturalleistungen – freie Wohnung, Verpflegung, sonstige Versorgung – gelten, denn Angaben hierzu sind in dem Vordruck zur Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausdrücklich vorgesehen. Schon aus diesem Grund kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, dass sein Prozesskostenhilfegesuch ergänzungsbedürftig war.

2. Aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und Sinn und Zweck der Regelungen über das Kindergeld folgt, dass das Kind allein durch seine Zugehörigkeit zur Familie ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Auch das Kind ist daher antragsberechtigt und klagebefugt.

3. Der Gesetzgeber hat – schon durch die Verwendung des Wortes „oder” erkennbar – die drei Verlängerungstatbestände der Nrn. 1, 2 und 3 des § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG als Alternativen nebeneinander gestellt.

4. Die Anwendung des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht durch § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, wenn das Kind aufgrund einer während der Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes abgegebenen Verpflichtungserklärung im Anschluss an den Grundwehrdienst für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren zum Soldaten auf Zeit berufen wird. Die potentielle Bezugsdauer des Kindergeldes verlängert sich in diesem Fall über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus um die Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes.

5. Die Regelung des § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Wehrdienst auch auf Grund freiwilliger Verpflichtung geleistet werden kann und sieht eine Verlängerung des potentiellen Bezugszeitraumes nur für den Fall vor, dass mit der Berufsausübung als Soldat auf Zeit gleichzeitig die staatsbürgerliche Pflicht zur Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes erfüllt wird.

 

Normenkette

EStG 2002 § 32 Abs. 5 S. 1 Nrn. 1-2, § 31 S. 1, § 67 Abs. 2; FGO § 47 Abs. 1, §§ 142, 40 Abs. 2; ZPO § 117 Abs. 2

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 08. September 2004 und deren Einspruchsentscheidung vom 28. September 2004 werden aufgehoben und Kindergeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum von November 2004 bis August 2005 festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Der im Oktober 1977 geborene Kläger begehrt für sich Kindergeld für den Zeitraum von November 2004 bis August 2005 aus abgetretenem Recht.

Der Kläger wurde nach seiner Schulausbildung vom 01. September 1996 bis zum 30. Juni 1997 zur Ableistung des zu diesem Zeitpunkt zehn Monate umfassenden Grundwehrdienstes einberufen. Während des Grundwehrdienstes gab er (… 1997 eine Verpflichtungserklärung als Soldat auf Zeit für eine Dienstzeit von drei Jahren ab. Diese Dienstzeit begann am 01. September 1997, so dass sie am 31. August 2000 endete. Nach der ihm ausgestellten Wehrdienstzeitbescheinigung vom 15. November 2000 leistete der Kläger in den Monaten Juli 1997 und August 1997 (freiwillig zusätzlichen) Wehrdienst. Im Anschluss an seine Dienstzeit nahm der Kläger ein Studium an der Universität K.-Dorf auf, bei der er seit dem 01. Oktober 2000 immatrikuliert ist. Das Studium dauerte bis zum Wintersemester 2005/06. Während des Studiums erhielt Frau N. G., die Mutter des Klägers, für diesen fortlaufend Kindergeld. Mit an die Mutter des Klägers adressiertem Bescheid vom 08. September 2004 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab November 2004 auf mit der Begründung, dass der Kläger im Oktober 2004 das 27. Lebensjahr vollendet habe und deshalb kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestehe.

Zur Begründung ihres dagegen gerichteten, fristgerecht erhobenen Einspruchs führte die Mutter des Klägers an, dass ihrer Meinung nach der von ihrem Sohn geleistete Grundwehrdienst als Verlängerungstatbestand anzusehen sei und die Kindergeldzahlung entsprechend der Dauer des Grundwehrdienstes über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus erfolgen müsse. Die Beklagte wies den Einspruch mit an die Mutter des Klägers adressierter Einspruchsentscheidung vom 28. September 2004 als unbegründet zurück. Hierzu führte sie an, der Kläger habe nach Ableistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes bis zu seiner Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zwei Monate freiwillig zusätzlichen Wehrdienst und damit insgesamt dr...

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