Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Ausbildungswilligkeit eines volljährigen Kindes als Voraussetzung für den Kindergeldanspruch bei Abbruch einer Ausbildung zur Ergotherpeutin im Januar, nachgewiesenem Praktikum mit rechtlichem Bezug im Februar und Einschreibung für ein ab Oktober beginnendes Jurastudium im August
Leitsatz (redaktionell)
1. Angebliche Praktika, die in der Zeit nach dem Abbruch einer Ausbildung zur Ergotherapeutin im Januar bzw. einem Praktikum mit rechtlichen Bezug im Februar bis zur Einschreibung für ein ab Oktober beginnendes Jurastudium im August angeblich in einer Rechtsanwaltskanzlei bzw. in der Rechtsabteilung eines bestimmten Instituts durchgeführt worden sind, können nicht als Berufsausbildung i. S. v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewertet werden, wenn diese Praktika weder zeitlich eingegrenzt noch ihre Inhalte auch nur ansatzweise benannt noch diesbezügliche Nachweise oder Bestätigungen vorgelegt worden sind, obwohl hierzu mehrfach sowohl im Verwaltungs- wie im Gerichtsverfahren aufgefordert worden ist.
2. Es bestehen Zweifel an der Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes in den Monaten vor der Einschreibung für ein Jurastudium, wenn das Kind mehrfach unterschiedliche Berufsausbildungen begonnen und wieder abgebrochen hat, in unterschiedlichen Bereichen gejobbt hat und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich das Kind in der Zeit vor der Immatrikulation noch nicht über seinen weiteren Berufsweg klar war. Vor diesem Hintergrund muss der Kindergeldanspruchsberechtigte das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz sowie die Ausbildungswilligkeit in Bezug auf eine erst später aufgenommene Berufsausbildung in erhöhtem Maß glaubhaft machen bzw. belegen. Werden daher behauptete Praktika mit juristischem Bezug trotz diverser behördlicher und gerichtlicher Aufforderungen nicht näher substantiert und nachgewiesen,spricht das gegen eine wirkliche Ausbildungswilligkeit im streitigen Zeitraum in Bezug auf das später begonnene, ebenfalls wieder abgebrochene Jurastudium.
3. Zwar gibt es keine Verpflichtung des Kindes, sich unmittelbar mit Beginn der Einschreibefrist einzuschreiben; das Kind kann insoweit die gesamte Einschreibefrist ausnutzen. Doch zeigt eine spätere Anmeldung nicht automatisch auf, dass bereits vor der Einschreibung eine Ausbildungswilligkeit vorlag.
4. Ein 10-tägiges Praktikum mit rechtlichem Bezug ist nicht geeignet, sich auf einen akademischen Beruf vorzubereiten oder einen umfassenden Einblick in die komplexe Rechtswissenschaft zu gewinnen.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 68 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1
Tenor
Das Verfahren wird hinsichtlich der Streitmonate August und September 2010 nach § 138 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) um Kindergeld für die Tochter des Klägers B., geboren … 1990, für den Zeitraum März bis Juli 2010. Hinsichtlich der ursprünglich weiteren Streitmonate August und September 2010 ist das Verfahren nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt.
Die Tochter hatte ursprünglich am 01. September 2009 eine Ausbildung zur Ergotherapeutin begonnen. Diese Ausbildung sollte bis zum 31. August 2012 dauern. Daraufhin hatte die Beklagte mit Bescheid vom 03. September 2009 Kindergeld für den Zeitraum September 2009 bis August 2012 festgesetzt.
Ausweislich der Kindergeldakte der Beklagten forderte diese den Kläger mit Schreiben vom 13. Februar und 18. Mai 2012 erfolglos auf, eine Erklärung zu den Verhältnissen des Kindes für das Kalenderjahr 2011 abzugeben. Mit Schreiben vom 28. August 2012 erfolgte die nächste Aufforderung unter Fristsetzung zum 29. September 2012 und wurde die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes angedroht. Gleichzeitig wurde der Kläger mit Schreiben vom 28. August 2012 aufgefordert, einen Nachweis über die Beendigung der Berufsausbildung einzureichen.
Die Tochter des Klägers teilte daraufhin mit Schreiben vom 02. September 2012 mit, dass die Ausbildung zur Ergotherapeutin vor Ablauf des ersten Schulhalbjahres (zum 31. Januar 2010) beendet worden und zum Wintersemester 2010/11 (01. Oktober 2010) eine Einschreibung an der C-Universität …, Abschluss Staatsprüfung Rechtswissenschaften, erfolgt sei. Das Studium sei zum 31. Mai 2012 ohne Abschluss beendet worden. Des Weiteren benannte sie Einkünfte aus verschiedenen Aushilfstätigkeiten in den Jahren 2011 und 2012.
Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin zur Vorlage verschiedener Nachweise (Beendigung Berufsausbildung zur Ergotherapeutin, Nachweis Abbruch Studium, Nachweise Lohneinkünfte, Arbeitsverträge, Erklärung zu den Verhältnissen) auf. Dem kam die Tochter nachfolgend nach, wobei sie darauf hinwies, dass es für den Abbruch der Ausbildung zur Ergotherapeutin mangels schriftlicher Vereinbarungen keinen Nachweis gebe. Im weite...