Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung von Lebenshaltungskosten im Rahmen einer Geldverkehrsrechnung. Anwendung der 1-%-Regelung bei Kleintransportern
Leitsatz (redaktionell)
1. Umfangreiche Ausführungen zur Schätzung von Lebenshaltungskosten und Aufwendungen für die Beschaffung von Hausrat und Kleidung eines Steuerpflichtigen, der bereits kurze Zeit nach dem Auszug aus dem elterlichen Haushalt große Mengen hochwertiger Kleidungsstücke und Einrichtungsgegenstände vorwiegend gebraucht erworben oder von Dritten geschenkt erhalten zu haben vorgibt, im Rahmen einer Geldverkehrsrechnung wegen unvollständiger bzw. nicht ordnungsmäßiger Buchführungsunterlagen.
2. Je weniger eine Auskunftsperson die rechtlichen Folgen einer Erklärung überschauen kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Erklärung an ein gewünschtes Ergebnis anpasst. Werden also nach Belehrung über die steuerlichen Folgen Angaben gemacht, die vorher getätigten Aussagen widersprechen und zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führen würden, sind im Zweifel die zuerst gemachten Angaben als zutreffend anzusehen.
3. Unabhängig davon, ob ein Fahrzeug kraftfahrzeugsteuerrechtlich ein LKW ist oder so behandelt wird, ist es ertragsteuerlich der Eigenverbrauchsbesteuerung nach der 1-%-Regelung zu unterwerfen, wenn es nach seiner Art der nicht nur vereinzelten und gelegentlichen Privatnutzung zugänglich ist (hier bejaht für VW T4 und Mercedes Vito).
Normenkette
AO § 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; EStG 1997 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; EStG 2002 § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2; UStG 1999 § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Bescheide über die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2002 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 08. Dezember 2005 werden mit der Maßgabe geändert, dass die Einkünfte/Gewinne aus Gewerbebetrieb von EUR 76.619 auf EUR 44.310 gemindert werden.
Unter Änderung des Bescheides über die Umsatzsteuer 2002 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 08. Dezember 2005 wird die Umsatzsteuer 2002 von EUR 9.450,12 auf EUR 4.993,80 gemindert.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 60 %, der Beklagte zu 40 %.
Tatbestand
Der 1977 geborene Kläger war seit April 2000 selbständig tätig. In den Gewinnermittlungen gibt er „Dienstleistungen” an. Nach seiner Gewerbeanmeldung betrieb er
- Hausmeisterservice
- Dienstleistungen auf Baustellen
- Umzugsservice
- Einkaufsservice
- Handel mit neuen und gebrauchten Konsum- und Investitionsgütern
- Marketingservice
Steuerfestsetzungen bzw. Gewinn-/ Verlustfeststellungen erfolgten zunächst antragsgemäß unter Vorbehalten der Nachprüfung wie folgt:
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2000 (DM) |
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2001 (DM) |
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2002 (EUR) |
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ESt |
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0 |
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0 |
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0 |
USt |
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- 3.043,30 |
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- 6.110,50 |
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121,52 |
Verlustvortr ESt |
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12.925,00 |
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32.971,00 |
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13.565,00 |
GewStMessb. |
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0 |
Gewerbeverlust |
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13.565,00 |
Im Jahre 2004 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung für die Streitjahre durch. Es stellte sich folgendes heraus:
Anfang 2002 hatte der Kläger das unsanierte Haus … Straße 4 in … erworben, ganz oder teilweise saniert und den Hausrat am 20. November 2002 mit einer Versicherungssumme von EUR 110.000,00 versichert.
Am 10. Dezember 2002 brannte das Haus ab.
In der Betriebsprüfung legte der Kläger Unterlagen unter Hinweis darauf, sie seien bei dem Brand vernichtet worden, nur rudimentär vor, nämlich nur Originalkontoauszüge sowie über das Steuerbüro einige Sachkonten und Rechnungskopien. Die Prüferin holte unter anderem verschiedene Informationen aus dem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Brandstiftung ein, das die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger, den Hauptagenturleiter der örtlichen Filiale des Hausratversicherers sowie einen gemeinsamen Bekannten eingeleitet hatte. Dazu gehörte eine Hausratliste vom 20. Januar 2004, die der Kläger bei der Hausratversicherung eingereicht hatte und in der er eine Schadensumme aus Hausrat (Bekleidung und sonstige Hausratgegenstände) von insgesamt EUR 130.828,27 zu Wiederbeschaffungswerten angegeben hatte. Auf diese Hausratliste wird ergänzend Bezug genommen.
Die Versicherung zahlte EUR 112.261,00, davon EUR 107.835,00 Zeitwertschaden und EUR 4.426,00 Mietausfall.
Das Ermittlungsverfahren wurde schließlich nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da der Täter nicht ermittelbar war. Auch die seitens eines Versicherers ausgelobte Belohnung von EUR 25.000,00 für Hinweise zur Aufklärung des Brandes erbrachte keinen Erfolg.
Unter Rückgriff auf diese Hausratliste erstellte die Prüferin unter anderem Geldverkehrsrechnungen für die drei Jahre, die zu erheblichen Fehlbeträgen führten. Sie war der Auffassung, dass die Gegenstände aus der Versicherungsliste irgendwann einmal erworben und bezahlt worden sein mussten. Angesichts der Art der Sachen und des Auftretens des Klägers meinte sie, dass bei der Bekleidung ein „Kollektionswechsel” alle vier Jahre anzunehmen sei. Sie hatte insgesamt den Eindruck eines großzügigen Lebenswandels und ging von verhältnismäßig hohen Aufwendungen f...